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Kaum hat Bulgarien bei der russisch-italienischen Gaspipeline South Stream letzte Hürden genommen, schlägt Sofia Alarm bei Nabucco. Die EU müsse Turkmenistan dazu bringen, Gas in die Pipeline über die Türkei einzuspeisen.

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Wien - Das Gaspipeline-Projekt Nabucco werde scheitern, wenn sich die EU-Kommission nicht mehr dafür engagiert, warnt Bulgariens Wirtschaftsminister Traicho Traikov, dessen Land wegen seiner Abhängigkeit von russischem Erdgas am Bau der Pipeline von der Osttürkei bis nach Österreich besonders interessiert ist.

"Nabucco ist wirtschaftlich gesehen ein perfektes Projekt, aber leider wird nicht genug dafür getan" , sagt Traikov im Gespräch mit dem Standard. "Vor allem die EU muss eine aktivere Rolle einnehmen. Das EU-Engagement besteht derzeit nur aus Worten."

Brüssel müsse sein diplomatisches Gewicht einbringen, um Turkmenistan davon zu überzeugen, sich als Erdgaslieferant für Nabucco zur Verfügung zu stellen, meint Traikov. Da Erdgas aus dem Iran derzeit politisch tabu sei, seien die Turkmenen der Schlüssel, damit genügend Lieferungszusagen für ein wirtschaftlich rentables Projekt zusammenkommen. Aber Turkmenistan sei nur bereit dazu, wenn sicher sei, dass Nabucco zustande kommt.

Auch Nordirak und Aserbaidschan seien mögliche Nabucco-Lieferanten, aber auch dort sei ein klarer Kurs aus Europa notwendig. "Das ist ein Henne-oder-Ei-Problem, das nur politisch gelöst werden kann" , meint Traikov. "Man erwartet, dass Europa mit einer Stimme spricht, aber die großen EU-Staaten ignorieren das." Russland hingegen täte alles, damit das Konkurrenzprojekt South Stream realisiert wird.

Traikov: "Das Nabucco-Projekt wird sehr transparent betrieben, aber das ist im Pipeline-Markt nicht immer der effizienteste Weg. Die Russen sind viel geschickter."

Das war am Samstag deutlich zu erkennen, Sofia und Moskau haben wichtige Unstimmigkeiten ausgeräumt. Russlands Regierungschef Wladimir Putin und sein bulgarischer Kollege Boiko Borisow unterzeichneten in Sofia die Unterlagen zur Gründung des Gemeinschaftsunternehmens, das den South-Stream-Abschnitt auf bulgarischem Staatsgebiet umsetzen und auch bauen soll. Gasprom und die bulgarische Energie-Holding werden je zur Hälfte beteiligt.

Zur Erinnerung: Bulgarien ist deshalb auch an South Stream beteiligt, weil dies zwar nicht die Quelle, aber zumindest die Transportwege seines Gases diversifizieren würde. Das Gesamtprojekt South Stream, eine Pipeline zwischen Russland und Italien, wird auf 25 Mrd. Euro taxiert und soll Südeuropa mit Erdgas versorgen.

Derzeit kommen 100 Prozent der bulgarischen Versorgung über die Ukraine aus Russland. "Wir verfolgen alle Optionen, und es ist genug Gas für alle da" , meint der 40-jährige Ökonom, der vor seiner Berufung in die Regierung von Premier Bojko Borissow für den niederösterreichischen Energieversorger EVN in Bulgarien gearbeitet hat.

Aufwärtsbewegung

Die wirtschaftlichen Aussichten Bulgariens schätzt Traikov trotz der anhaltenden Krise positiv ein. Die Verschuldung sei niedrig, die Arbeitslosigkeit wieder im Sinken, und vor allem in der Chemie- und Elektroindustrie sowie im Energiesektor seien die Auslandsinvestitionen stark gestiegen. Der massive Rückgang bei Investitionen im Immobilien-, Bau- und Finanzsektor sei im Gegenzug kein Verlust.

Die Regierung sei trotz eines strikten Sparkurses populär, betont Traikov. "Die Menschen geben uns eine Chance, weil sie sehen, dass sich etwas bewegt." DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.11.2010)