Die deutsche Bestsellerautorin Charlotte Roche verhalf in ihrem makellosen Roman Feuchtgebiete auch verpönteren Körperzonen zu einem längst fälligen Renommee: Im Nassfeld der von Slip und Hose überwölbten Neuralgiepunkte herrschte dank ihrer Einlassungen so etwas wie ein spätes Licht der Aufklärung.

Das Land der epidermalen Rötungen wurde in dieser Prosa glanzvoll rehabilitiert: Endlich gestand man Büschen, Gestrüpp und anderen Widerborstigkeiten im Intimbereich jene interesselose Schönheit zu, die sonst nur den raren Wundern der Kunst eignet.

Es ist Frau Roche daher nicht genug zu danken, dass sie von der neu errungenen Würde des Körpers einen politisch sinnfälligen Gebrauch machen will.

Wie wir dem Spiegel entnehmen, wäre Roche geneigt, mit dem deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff (CDU) dann in die Kiste zu steigen, wenn dieser sein verfassungsmäßiges Recht korrigierend ausübt und die längeren AKW-Laufzeiten in der BRD aus eigener Machtbefugnis abschmettert.

Charlotte Roche bekäme es - immer gesetzt den Fall, die Staatsnotwendigkeit erheischte von Herrn Wulff ein entsprechendes Opfer - in der Person des Staatsoberhaupts mit einem gestandenen Niedersachsen zu tun: einem Flachländler. Rötungen aber sind aus der Lüneburger Heide nicht überliefert. (Ronald Pohl, DER STANDARD - Printausgabe, 16. November 2010)