Harry Potter (Daniel Radcliffe) rüstet sich derzeit im Potter-Film 7, Teil 1, fürs richtig endgültige Finale im kommenden Sommer.

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Wien - Das Plakat zum Film zeigt drei junge Menschen "on the run": Harry Potter vorneweg, Hermine Granger und Ron Weasley dichtauf, rennen durch eine düstere Waldszenerie, rote Funken stieben vom Boden auf. "Nirgends ist es sicher", steht untendran zu lesen. Als alles anfing, da sah die Sache noch anders aus: Ein aufgeweckter Junge blickte durch die charakteristischen Nickelbrillen forsch in die Welt. Die Versatzstücke von Magie und britischer Schultradition, die Rauschebärte und Lausekinder, die ihn umgaben, verbreiteten weniger Furcht und Schrecken als Aussicht auf ungewöhnliche Abenteuer.

Die Schauspieler sind seit damals dieselben geblieben: Die einstigen Kinderdarsteller Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint sind inzwischen alle Anfang zwanzig. Die Mischung aus Vertrautheit und sichtlicher Veränderung spiegelt jene Erfahrung wieder, die viele Fans zeitgleich und gemeinsam mit den fiktiven Helden (und deren geliehenen Körpern) durchlebt haben. Diese Komplizenschaft wird nun noch einmal wichtig, wenn für die Eingeweihten eine Ära unwiderruflich zu Ende geht:

Der erste Harry Potter-Roman erschien 1997, der erste Film hatte 2001 Premiere. Bis zur Veröffentlichung des siebenten und letzten Buches 2007 gab es eine dynamische Verschränkung der Erwartungen an die Fortführung der Erzählung und die darauf folgende filmische Umsetzung. Der Hype war lebendig. Seit das Romanwerk abgeschlossen ist, müssen die Filme alleine die Attraktion am Köcheln halten - dem absehbaren Ende entgegen.

Kassen klingeln zweimal

Insofern kann man es trotz gegenteiliger Beteuerungen als Marketingentscheidung werten, dass Harry Potter und die Heiligtümer des Todes / Harry Potter and the Deathly Hallows, das Finale der Potter -Saga, fürs Kino in zwei Teilen aufbereitet wird: Deren erster, ein behäbiger 146-Minüter, erreicht pünktlich zum Weihnachtsgeschäftsbeginn die Lichtspielhäuser rund um den Erdball. Der zweite und allerletzte soll dann im Sommer 2011 starten, zehn Jahre nach der ersten und bis heute kommerziell erfolgreichsten Leinwandadaption, Harry Potter und der Stein der Weisen.

Vergleichbare Phasenzündungen erlebte man im vergangenen Jahrzehnt gehäuft - mit der Herr der Ringe-Trilogie, den Pirates of The Carribean- oder den Twilight-Filmen. Stets kann man sich darauf verlassen, dass das Gesetz der Serie funktioniert, welches hier frei nach J. R. R. Tolkien darin besteht, die Fans ewig zu binden. Dass dabei manch einzelnes Teilchen etwas leichter wiegt, fällt am Ende nicht ins Gewicht.

Das Problem von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes, Teil 1 besteht in erster Linie darin, dass das große Finale vorbereitet werden muss, aber nicht vollzogen werden kann. Das widerspricht den Gepflogenheiten des klassischen Industriekinos, der Konvention erzählerischer Geschlossenheit, an die sich die millionenschweren Potter-Unternehmungen ansonsten zu halten haben. Einziger Ausweg ist ein lupenreiner Cliffhanger - die letzten Einstellungen gehören dem bösen nasenlosen Voldemort.

Viele Harrys, keine Freunde

Die Geschichte, die bis dahin erzählt wird, ist eine des Flüchtens und Fallens, der steten Reduktion. Zu Beginn wird noch einmal das gesamte Personal der beiden Lager, der guten und der dunklen Mächte, aufgeboten. Nach ein paar spektakulären Szenen, mit Potter-Doubles oder Luftgefechten mit Voldemorts rauchschwadenschwarzen Todessern, geht der Zauberlehrling seines Umfelds verlustig. Eine Zeit lang bleiben ihm gar nur ein einsames Zelt als Zufluchtsort und Hermine als einzige Gefährtin (und ausgerechnet Nick Cave darf für alle Eltern im Kino den Song intonieren, zu dem den Flüchtenden ein kurzer Glücksmoment geschenkt wird).

In jeder Hinsicht ergiebiger ist eindeutig jener Abschnitt, in welchem Harry, Hermine und Ron das Zauberei-Ministerium unterwandern, welches in Händen von Voldemorts faschistoiden Gefolgsleuten ist: eine spektakuläre, ein wenig an Terry Gilliams Brazil erinnernde Szenerie, verschwenderisch und bis ins Detail der grafischen Gestaltung propagandistischer Pamphlete fantasievoll ausgemalt. Auf böse Art komisch, was den Eintritt ins Gebäude durchs Klo betrifft - wenn man das als Vorschein aufs finale Kinoabenteuer nehmen darf, dann könnte das sogar für Nicht-Fans etwas werden. (Isabella Reicher/DER STANDARD, Printausgabe, 17. 11. 2010)