Mit gemischten Gefühlen sieht der Schweizer Forschungsexperte Dieter Imboden die aktuellen Entwicklungen in Österreich. Imboden - gleichzeitig Präsident des europäischen wissenschaftspolitischen Verbundes EuroHORCS und des SNF, des Schweizer Nationalfonds - war vergangenen Woche als Gast bei einem Symposium des Österreichischen Wissenschaftsrats in Wien eingeladen, als die Nachricht über die geplanten Kürzungen bei den außeruniversitären Forschungseinrichtungen gewissermaßen noch taufrisch war.

"Das hat der ganzen Tagung eine gewisse Brisanz gegeben" , berichtet Imboden mit leicht ironischem Unterton - schließlich ist der Wissenschaftsrat das zentrale Beratungsgremium des Wissenschaftsministeriums, das die Einsparungen verteidigt.

Die Summe der vorgesehenen Einsparungen ist laut dem Schweizer Fachmann weniger problematisch, 28 Millionen seien schließlich nicht so viel. "Das Problem ist aber, dass sie kaum Spielraum haben." Es handele sich um eine "Rasenmähermethode" , bei der alle Institutionen zu gravierenden Kürzungen gezwungen sind. Einige dürften das nicht überleben. Gewiss, manche Experten bemängeln schon länger einen Wildwuchs in der österreichischen außeruniversitären Forschungslandschaft. "Es ist sicher gut, man räumt ein bisschen auf" , meint Imboden. "Dabei verliert man möglicherweise auch die Perlen."

Imboden kann der Kürzungsdebatte gleichwohl auch positive Aspekte abgewinnen. Man könnte sie für dringend notwendige wissenschaftspolitische Neuerungen zum Anlass nehmen. "Österreich hat einen gewaltigen Reformbedarf" , sagt der Schweizer Gelehrte, der als Professor für Umweltphysik an der ETH Zürich tätig ist. Eine zu große Anzahl selbständiger Forschungseinrichtungen ist seiner Meinung nach nicht sinnvoll.

Stattdessen wäre es besser, die guten unter ihnen in die lokalen Universitäten zu integrieren. Mittels Synergie-Effekten könnte man dann auch Kosten sparen. In den beiden erfolgreichsten Wissenschaftsnationen Europas, der Schweiz und Großbritannien, findet Forschung überwiegend an den Universitäten statt, betont Dieter Imboden. Lediglich für Bereiche mit einem Bedarf an großer, technisch komplexer Infrastruktur, wie zum Beispiel die Kernphysik, seien außeruniversitäre Einrichtungen erforderlich. Aber auch diese sollten "intensiv und unbürokratisch mit den Hochschulen zusammenarbeiten" .

Eine stärkere Ausrichtung auf die Universitäten würde einem wichtigen, aber immer öfter vernachlässigten Prinzip zugute kommen: der Einheit von Forschung und Lehre. Der akademische Nachwuchs braucht Erfahrung in beiden Bereichen, betont Dieter Imboden. Nur so können auch zukünftig Qualität und Kontinuität gewährleistet werden.

Sicheres Geld für Junge

Des weiteren benötigen junge Wissenschafter langfristige Sicherheit statt den vielerorts üblichen zeitlich befristeten Verträgen. "Ein Forschungssystem besteht vorwiegend aus Menschen" , betont der SNF-Direktor. Ohne sicheres Geld verschwinden zahlreiche wissenschaftliche Talente in der Wirtschaft und gehen so der Forschung verloren.

Eine Besonderheit der erfolgreichen eidgenössischen Wissenschaftspolitik ist ihre Förderung der Grundlagenforschung. Der SNF stellt diesbezüglich jährlich fast viermal so viel Finanzmittel zur Verfügung wie der österreichische Wissenschaftsfonds FWF. Hierzulande dagegen fließen deutlich größere Beträge in anwendungsorientierte Forschungsprojekte mit praktischem Nutzen.

Imboden steht dieser Orientierung äußerst skeptisch gegenüber. "Die Frage nach dem Nutzen ist bei einer guten Forschungsförderung eigentlich kein Thema." Viele große Wissenschafter arbeiteten nicht unbedingt an "nützlichen Projekten" , als sie bahnbrechende Entdeckungen machten. Man denke nur an Alexander Fleming, der schon fast per Zufall das Penicillin, die Mutter aller Antibiotika, erfand.

Die Bedeutung der Grundlagenforschung für Gesellschaft und Wirtschaft vergleicht Imboden gerne mit dem Ökosystem eines Sees. "Die von der Neugierde getriebenen Forscher sind dabei die Primärproduzenten" , die Algen und Grünpflanzen also. Sie nutzen die Lichtenergie, um abiotische Substanzen in Biomasse umzuwandeln. Sämtliche andere Organismen des Gewässers ernähren sich davon, vom größten Fisch bis zum kleinsten Bakterium. So verhält es sich auch mit den Ergebnissen der Grundlagenforschung, erklärt Imboden. "Alle Anwendungen basieren auf dem Wissen aus diesem Pool." (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, Printausgabe, 17.11.2010)