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Buch oder E-Book: Auf welche Seite sich die Waagschale neigen wird, ist seit Jahren ein emotional diskutiertes Thema. Auch im Vorfeld der Buch Wien.

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Wien - Nun schon das zweite Jahr beherrscht ein mit Angst und Schrecken auf der einen, mit Unternehmungsgeist und Optimismus auf der anderen Seite lanciertes Thema jedes mediale Gespräch über den Buchmarkt: die angeblich in Siebenmeilenstiefeln voranschreitende Digitalisierung des Buches.

Wenn es daher Buchmesse heißt - ob in Frankfurt oder nun in Wien -, raschelt die emotionale Frage nach den E-Books durch die Feuilletons. Und auch wenn Meldungen wie jene der "New York Times", die ab 2011 auch Bestsellerlisten für E-Books drucken will und damit ihren bedeutenden kritischen Einfluss im amerikanischen Buchmarkt ausbaut, die Fraktion der Buch-Apokalyptiker zu stärken scheinen - die Leser zeigen sich davon bislang wenig beeindruckt. Der Marktanteil (belletristischer) E-Books liegt im deutschen Sprachraum noch unter einem Prozent. Und auch in den USA, wo Unternehmen wie Amazon regelmäßig mit hohen Erfolgszahlen Druck machen, "übersteigt die Fantasie derzeit das, was tatsächlich passiert", sagt Journalist und Branchenkenner Edward Nawotka, Chef der "Publishing Perspectives".

Auf der Frankfurter Buchmesse Anfang Oktober dieses Jahres verdeutlichte sich auch die Position der deutschen Verlage: Das E-Book wird keinesfalls als konkurrenzfähiges Substitutionsprodukt gefürchtet, sondern bestenfalls als zusätzliches Segment begrüßt. Die meisten kleineren Verlage sind noch gar nicht ins elektronische Buchgeschäft eingestiegen, und auch größere Verlagsanstalten bieten den Lesern nur zögerlich elektronischen Content quasi als Appetizer an.

Das Geschäft macht man nach wie vor mit dem gedruckten Buch - und kein schlechtes. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels freute sich bei der Frankfurter Buchmesse über gestiegene Umsatzzahlen. Und rechtzeitig zur am Mittwochabend eröffneten Buch Wien und zugleich zum Auftakt eines fetten Weihnachtsgeschäfts dürfen auch die aktuellen Zahlen der heimischen Buchbranche für gute Laune sorgen: Der österreichische Buchhandel vermeldet für den Zeitraum von Jänner bis Oktober 2010 ein Umsatzplus von 3,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

An der Spitze der heimischen Bestsellerlisten stehen noch dazu österreichische Autoren: Natascha Kampusch und Sasha Walleczek in der Warengruppe Sachbuch sowie Michael Niavarani und Arno Geiger (nach Stephenie Meyer und Martin Suter) in der Belletristik.

Österreich liest also - nicht nur diese Woche im Rathaus: Mehr als elf Bücher liest der Durchschnittsösterreicher im Jahr (mehr als die Nachbarn in Deutschland und der Schweiz), wie die Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung 2009 ermittelte. Im vorigen Kalenderjahr machten das 466 Millionen hierzulande für Bücher ausgegebene Euro aus - dieses Jahr könnten es sogar noch zehn Millionen Euro mehr werden, errechnet der Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB).

Dessen Pressesprecherin Inge Kralupper kündigt an: "Die für 2010 bisher vorliegenden Zahlen beweisen, dass der Buchhandel real weiterwächst." Zu 2009 weiß man bisher: Von 10.253 neuen Publikationen waren mehr als 8000 im österreichischen Buchhandel erhältlich (1200 mehr als 2008). 780 Titel davon waren Übersetzungen aus insgesamt 37 Sprachen. Über E-Books liegen keine vergleichbaren Zahlen vor. Kralupper: "Der Bereich E-Publishing steckt noch mitten im Entwicklungsprozess. Es wird noch dauern, bis man von der 'Generation E-Book' sprechen kann!"

Umberto Eco, der berühmteste italienische Bücherliebhaber und Sammler wertvoller Inkunabeln, würde dazu sagen: "An einem Buch gibt es nichts zu verbessern." In "Die große Zukunft des Buches" (Hanser, 2010) vergleicht er das Buch mit einem Löffel oder einer Schere: "Sind diese Dinge erst einmal erfunden, lässt sich Besseres nicht mehr machen." Das Buch habe sich vielfach bewährt und es sei nicht abzusehen, "wie man zum selben Zweck etwas Besseres schaffen könnte als eben das Buch." Vielleicht werden seine Seiten nicht mehr aus Papier sein, "aber es wird bleiben, was es ist". (Isabella Pohl/ DER STANDARD, Printausgabe, 18. 11. 2010)