Anselm Kiefer: "Die Ungeborenen", collagiertes Foto

Foto: Dorotheum

Die mit Blei und Stoff überarbeitete Fotografie zeigt eine Hausmauer, die nach rechts in den Hintergrund führt und jeden weiteren Ausblick verhindert. Aus dem mit Schutt übersäten Boden wachsen Pflanzen, in deren Geäst blau-graue Stoffkleidchen jener Kinder schweben, die niemals eine Chance hatten, geboren zu werden. "Die Ungeborenen" nannte Anselm Kiefer diese Arbeit, die im Zuge der vierten Auktionswoche im Dorotheum am 25. November in der Sparte Zeitgenössische Kunst versteigert wird (Taxe 100.000- 150.000 Euro).

Während die reduzierte Farbigkeit die Erinnerung an den Holocaust verstärkt, betont die Verwendung eines Schwermetalls zeitgleich die giftige NS-Herrschaft. Diese Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte begleitet Kiefer bereits seit seinen Anfängen in den späten 60er-Jahren. Gemeinsam mit Immendorf, Lüpertz und Penck repräsentiert Kiefer zugleich ein symbolistisch-bedeutungsschweres Segment der deutschen Postmoderne.

Wertzuwachs von 187 Prozent

Die Menge an Arbeiten in Sammlungsbeständen von Museen außerhalb Europas zeigt die enorme internationale Anerkennung: 1998 widmete ihm das Metropolitan Museum of Art (New York) eine Soloshow. Nur ein Teil der damals gezeigten Papierarbeiten trat die Heimreise nach Barjac in Südfrankreich an, 47 Werke kaufte das Museum an. Der Kunstmarkt reagierte dementsprechend, auch wenn die Menge der jährlich bei Auktionen angebotenen Arbeiten mit durchschnittlich 15 an der Zahl eine vergleichsweise überschaubare blieb. Bis 2007 stieg sein Wertindex laut Artprice um 187 Prozent.

Den vorläufigen Rekordwert notierte Christie's (London) 2007 mit netto 2,47 Millionen Euro für das Großformat "Lasst tausend Blumen blühen". Mit einem globalen Umsatzanteil von 43 Prozent liegt Großbritannien hinter den USA (49 Prozent) und vor Deutschland mit drei Prozent. Die restlichen fünf Prozent erwirtschaften vor allem Frankreich und die Schweiz, wo bei Koller (Zürich) am 3. Dezember vier Bilder den Besitzer wechseln sollen. Laut aktuellsten Analysen zum Markt für Gegenwartskünstler spielten 25 (Juli 2009-Juni 2010) versteigerte Werke weltweit 4,38 Millionen Euro ein, womit Anselm Kiefer im Ranking der umsatzstärksten Vertreter Platz 15 hält. (kron / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21.11.2010)