Warschau - Neue Rätsel bei der Aufarbeitung der Flugkatastrophe von Smolensk im April: Moskauer Ermittler haben ihren polnischen Kollegen neue Aussagen russischer Fluglotsen übermittelt, die auf eine Schuld der polnischen Piloten beim Absturz der Warschauer Präsidentenmaschine hindeuten. Wie die Tageszeitung "Rzeczpospolita" weiter berichtet, ließ die russische Justiz zugleich ursprüngliche Aussagen der Fluglotsen für ungültig erklären. Diese Aussagen hatten auf eine Schuld der Lotsen hingedeutet.

Im April hatte der Leiter des Kontrollturms am Flughafen Smolensk, Pawel Plusnin, erklärt, er habe die Besatzung der Tupolew 154M benachrichtigt, dass die Sicht auf der Landebahn 400 Meter betrage, obwohl es in Wirklichkeit 800 Meter gewesen seien. Er habe falsche Angaben gemacht, um die Piloten von der Landung abzubringen. Laut "Rzeczpopolita" änderte er seine Aussage nun ab. Die Sicht habe tatsächlich 400 Meter betragen.

Zivile Prozeduren

Darüber hinaus betonen die Russen in neuen Aussagen, dass bei dem Flug der polnischen Regierungsmaschine zivile Prozeduren gegolten hätten. Die früheren Aussagen liefen darauf hinaus, dass die Landung eher in einem militärischen Kontext erfolgte. "Der Flugplatz Sewernyi ist Teil der staatlichen Luftfahrt und gehört zum Verteidigungsministerium der Russischen Föderation", hatte Plusnin im April erklärt. Er sagte außerdem, dass die ganze Besatzung des Flugplatzes aus Soldaten bestehe und der Flugplatz dem Verteidigungsministerium unterstehe.

Diese Frage ist wichtig, um die Schuldfrage zu klären. In der zivilen Luftfahrt haben die Fluglotsen nämlich geringere Befugnisse und den Piloten obliegt die endgültige Entscheidung über die Landung. Die polnische Staatsanwaltschaft hat sich noch nicht entschieden, ob sie die Aussagen vom April tatsächlich für ungültig erklären wird.

Bei dem Flugzeugabsturz kamen am 10. April alle 96 Insassen der Maschine ums Leben, darunter der polnische Präsident Lech Kaczynski und seine Ehefrau. An Bord befanden sich auch alle Befehlshaber der polnischen Streitkräfte, Zentralbankchef Slawomir Skrzypek, Vize-Verteidigungsminister Stanislaw Komorowski sowie der stellvertretende Außenminister Andrzej Kremer. Auch mehrere Parlamentarier sowie die engsten Mitarbeiter Kaczynskis reisten im selben Flugzeug. (APA)