Eines haben die beiden Prölls, Onkel und Neffe, jedenfalls erreicht: Es wird nur noch über Organisationsformen und Kompetenzen gesprochen. Es geht um Macht und Einfluss. Es geht nicht um Inhalte, es geht nicht um Ziele, es geht nicht um die Sache.

Und das interessiert niemanden.

So treibt man den Menschen das Interesse an Politik aus, so frustriert man engagierte Bürger, die sich für Inhalte interessieren. Durch solche Debatten entkoppelt sich die Politik von der Realität, von der Lebenswelt der Menschen. So wird der Boden für die Wahlerfolge eines Rechtspopulisten wie Heinz-Christian Strache aufbereitet.

Dabei gäbe es genug zu bereden und zu verbessern. In der Sache und entlang der Interessen und Bedürfnisse der Betroffenen: Die Lehrerausbildung gehört verbessert und vereinheitlicht. Das Dienstrecht müsste überarbeitet werden. Das Schulangebot, insbesondere die ganztägige Betreuung, muss ausgebaut werden. Die Verantwortung an den einzelnen Schulstandorten sollte ausgebaut, die Position der Schulleiter gestärkt werden. Bildungsziele - und diese einheitlich - gehören erarbeitet. Es gäbe genug zu tun. Und die nächste Pisa-Katastrophe dräut bereits heran.

Stattdessen nehmen Erwin Pröll, der Landeshauptmann, und Josef Pröll, der ÖVP-Chef, Vizekanzler, Finanzminister und Neffe, die Republik mit einem unnötigen Machtkampf in Geiselhaft. Das ist umso unverständlicher, als es praktisch keinen Experten gibt, der eine Kompetenzverteilung vom Bund weg hin zu den Ländern im Schulsystem für gut heißen würde. Die Nachteile liegen auf der Hand: neun Systeme, neun Wege, neun Landeshauptleute, die alles besser wissen, eigene Interessen haben und überall mitreden wollen. Jede Reform würde verunmöglicht. Das Schulsystem würde in föderalistischer Folklore ersticken.

Aber Erwin will es, und Josef macht es.

Warum? Josef Pröll ist politisch angeschlagen. Darin mag der Grund liegen. Das Budget ist gefloppt, die letzten Wahlen sind in die Hose gegangen, die mächtigen Landeshauptleute ganz schlecht auf den Junior in Wien zu sprechen. Der eine droht mit Verfassungsklage, der andere damit, die Mitgliedsbeiträge nicht mehr zu überweisen. Da wirft sich Josef Pröll vor ihnen auf den Bauch: Die Lehrerkompetenzen zu den Ländern! Das mag die Landeshauptleute befrieden. Aber es geht an den Bedürfnissen der Menschen vorbei. Und die machen am Schluss die Abrechnung.

(Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 22.11.2010)