Selbstsuche im Dickicht der Stilvielfalt: Trombone Shorty, oder eigentlich Troy Andrews.

Foto: Universal

Alles schon gesagt, alle Traditionen etabliert, interpretiert, restauriert, zerschlagen und wieder zusammengesetzt. Der Fortschritt pausiert, bis das nächste Genie neue Stilwelten erschließt. Doch halb so schlimm. Immerhin tauchen von Zeit zu Zeit Klangkünstler auf, deren ruhelose Musikalität neue Säfte in die alten Stilschläuche pumpt; Musiker, bei den sich die ewige Frage ("Ist das nun alt, ist es neu?") als Qualitätskriterium nicht aufdrängt, da die Künstler mit ihrer Unbeschwertheit und Intensität alle Fragen in den Urlaub schicken. Manche von ihnen werden natürlich von großen CD-Firmen freundlich umgarnt, an die Weltrampe geschoben und dann domestiziert. Andere wiederum erhalten sich ihre Gedanken- und Gestaltungsfreiheit und treffen mit ihren Einspielungen unverbogen von Beratern und verordneten Produzenten auf eine hoffentlich breite Öffentlichkeit. Etwa Esperanza Spalding (Jahrgang 1984), von der schon Prince in einem Rolling Stones-Interview meinte, man müsse die US-Dame mit portugiesischen Wurzeln kennen, den Name möge man sich notieren - sie sei bemerkenswert.

Der kleine große Mann hat nicht Unrecht. Die Kontrabassistin, die auch zu singen pflegt, ist ein stiloffenes Wesen, das mit Klassik begann (sie war auch Konzertmeisterin der Chamber Music Society of Oregon) und sich nun als Jazzmusikerin fühlt. Auf Chamber Music Society (bei Heads up) kommen diese beiden Weltsichten zusammen. Es schweben auf einen kleine kammermusikalische Arrangements der klassischen Prägung einher. Sie bilden aber nur den geschmackvollen Rahmen für eine doch dem Jazz zuneigende rhythmische und harmonische Welt. Ja, und: Da ist auch noch die charmante Sängerin Esperanza. Ein bisschen was von den diskret gehauchten Linien einer Maria Joao ist da zu vernehmen. Aber hier ist weniger Linienstrenge zu spüren, mit einnehmend zartem Timbre lustwandelt Esperanza durch die Welt jazziger Freiheiten. Das hat etwas Markantes, Besonderes, ist geschmackvoll und unbedingt im Ohr zu behalten.

Umtriebiger Posaunenjunge

Der andere Jungmusikus, den es zu erwähnen gilt, war einst, als Katrina New Orleans verwüstete, gerade auf Tournee mit Lenny Kravitz. Der Mann ist in der Tat viel unterwegs, hat auch für U2 und für Green Day im Background gearbeitet. Nun hat ihn allerdings das Label Verve umarmt, und so ist Troy "Trombone Shorty" Andrews (Jahrgang 1986) als Posaunist und Trompeter mit der Einspielung Backatown (Verve/Universal) global zu bemerken. Er wirkt dabei als eine Art Stilschwamm, der allerlei Einflüsse aufgesaugt, um daraus ein lebendige Mischung aus Funk, Jazz, HipHop und Rock knetet. Shorty nennt seine Musik "Supafunkrock", als Trompeter neigt er allerdings der alten Schule zu, womit auch ein großer Konservativer aus New Orleans, Trompeter Wynton Marsalis, offenbar sein Freude hatte. Er nennt sich Shortys "größten Fan".

Nun, die neue CD wird Marsalis nicht gehört haben. Denn hier geht es nicht sonderlich altmodisch und stilrein zu. Shorty lässt kräftig und grell herumbolzen (Gast auf einer Nummer ist Lenny Kravitz), lässt es grooven, wobei die Anfänge der Nummern in ihrer Inspiriertheit allerdings mehr versprechen, als sie dann halten. Ein bisschen vordergründig sind mache Arrangements. Der Junge, der alle Titel selbst schreibt, hat jedoch Talent und die Chance verdient, mehr als nur eine CD auf Verve aufzunehmen. Er sollte die Chance bekommen, seine Ideen etwas zu verfeinern. (Ljubisa Tosic / DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2010)