Drahtseilakte als letzter Ausweg vor dem Tod: Emma Bell und Sean Ashmore in "Frozen".

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Dominik Kamalzadeh fröstelte mit.

Einer Skination wie Österreich ist die Grundkonstellation von Frozen, einem fiesen, klein budgetierten Chiller von US-Regisseur Adam Green (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Pop-Barden), als Angstvorstellung nur allzu gut vertraut: Wem ist auf einem Sessellift nicht schon einmal der Gedanke gekommen, über einem Abgrund baumelnd vergessen zu werden? Dan (Kevon Zegers), seine Freundin Parker (Emma Bell) und sein bester Kumpel Joe (Sean Ashmore) verbringen ein Wochenende in einem Ski-Resort in New England. Schon in der ersten Einstellung wird die Anlage, die sich nur wenig später als lebensbedrohliche Falle herausstellen wird, als Hindernis ins Bild gerückt; zunächst geht es allerdings nur darum, am Liftwärter vorbei möglichst günstig auf den Berg hinaufzukommen.

Im Horror- und Katastrophengenre werden im ersten Akt die emotionalen Gewichte auf die Protagonisten verteilt, an denen diese dann in der Krise schwer zu tragen haben. Green geht die Sache ein wenig zu schematisch an - zwischen Freundin und bestem Freund herrscht ein Konkurrenzverhältnis, das zu ein paar unbotmäßig ausgedehnten Wortgefechten veranlasst. Aber Charakterzeichnung ist in diesem Fach ohnehin etwas eher Nebensächliches. Als die drei auf dem Weg zu ihrer letzten Nachtfahrt nebeneinander sitzend langsam realisieren, dass sich der Lift nicht mehr in Bewegung setzen wird, erlebt jeder von ihnen seine persönliche Grenzerfahrung - und das funktioniert, spätestens wenn alle Lichter ausgehen, ziemlich gut.

In einem Bonus-Interview der DVD erzählt Adam Green, dass die Grundidee des Films in ein paar Sekunden feststand. Tatsächlich könnte das Setup kaum reduzierter sein - es geht um eine ausweglose Situation, in der alle Gefahren als Launen der Natur daherkommen. Ein Schneesturm, wachsende Kälte, Frost und hungrige Tiere erscheinen wie eine heimtückische Ablöse durch die Natur, in der das freizeitkulturelle Setting des Tages (und seine Suggestion von Sicherheit) wie hinter einer Nebelschwade verschwindet. Frozen steht damit in einer Tradition von Horrorfilmen, in denen nicht der Heroismus gegenüber einer äußeren Bedrohung zählt, sondern einfach nur nacktes Überleben.

In den herausragendsten Filmen dieses Subgenres wie etwa in John Boormans Deliverance gerät dieser Rückfall ins Kreatürliche auch zum Anlass für Zivilisationskritik - aus dem überheblichen Großstädter tritt plötzlich wieder der archaische Kämpfer hervor. Das Trio aus Frozen muss hingegen in der Wildnis erkennen, dass sie deren Anforderungen nicht gewachsen ist - Dan, Parker und Joe bleiben Konsumenten eines Freizeitangebots, ihr Verständnis von Natur ist jenes eines durchschnittlichen Outdoor-Aktivisten. Green inszeniert diese schmerzliche Einsicht in einem sehr körperlichen Sinn und setzt dabei auf einige härtere Schockmanöver - auf dem Metallgelände der Liftschaukel festgefrorene Hände zählen dabei noch den zu den harmloseren Bildern dieses Films.

Dramaturgisch vollzieht Frozen eine Abfolge von scheiternden Fluchtversuchen, nachdem die letzte Pistenraupe schon früh im Film im Schneegestöber davongefahren ist. Die Möglichkeiten des Entkommens sind beschränkt und werden durch die Witterungsverhältnisse nicht eben vereinfacht. Der visuelle Stil bleibt funktionell, die Statik des Geschehens löst Green mehrmals in hektische Aktionsabläufe auf, die die Situationen der Figuren meist nur noch weiter verschlechtern. In den stilleren Momenten bleibt für diese bloß die Gelegenheit zur Introspektion, die Austragung von offenen Beziehungsfragen. Das lenkt den Film jedoch von seinem eigentlichen Thema ab: dass man beim Überleben in der Regel ziemlich allein ist. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2010)