Bild nicht mehr verfügbar.

Leistungsdruck, Versagensängste, Doppelbelastung durch Studium und Beruf laugen aus und lassen viele "ausbrennen"

Foto: REUTERS/Michaela Rehle

"Damals wurde mir bewusst, dass es so nicht mehr geht", erinnert sich Bernhard, der kurz vor dem Abschluss seines Soziologiestudiums steht. Vor zwei Jahren wurde dem heute 27Jährigen alles zu viel: "Ich hatte zwei Jobs und obwohl ich über 30 Stunden in der Woche gearbeitet habe, war das Geld ständig knapp", sagt er und ergänzt "Dazu kam dann ein großer Frust, weil im Studium nichts mehr weiter gegangen ist". Doch es blieb nicht beim Frust: Antriebslosigkeit und Müdigkeit, schlechte Laune, Erschöpfungsgefühle, Unkonzentriertheit und Gereiztheit kamen hinzu. Bernhard fühlte sich ausgebrannt.

Ausgebranntsein

15 Prozent aller Studierenden gaben im Rahmen der letzten Studierendensozialerhebung an, von Burnout beziehungsweise einzelnen Symptomen betroffen zu sein. Die Gründe für das (drohende) Ausbrennen" der Betroffenen sind schnell angeführt: Es sind vor allem der permanente Leistungsdruck und die damit einhergehenden Versagensängste, die Doppelbelastung durch Studium und Beruf, finanzielle Schwierigkeiten und private Sorgen, die auslaugen. Besonders dann, wenn sie in Kombination auftreten.

Teufelskreis Studium-Arbeit-Geld 

Vor allem das Zusammenspiel von Erwerbstätigkeit und Studium erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines massiven Erschöpfungsgefühls, sagt Franz Oberlehner, der die Psychologische Studierendenberatungsstelle in Wien leitet. Bereits ein Job im Ausmaß von zehn Stunden in der Woche bedeute eine enorme Zusatzbelastung für Studierende, ergänzt der Psychologe. "Ich habe viel gearbeitet um mich über Wasser zu halten, war dann meistens zu fertig, um noch etwas für die Uni zu machen und mitten im Teufelskreis Studium-Arbeit-Geld", bestätigt Bernhard.

Vereinbarkeit?

Für Stress unter Studierenden sorgt vor allem die zumeist schlechte Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Studium: Von den Vollzeit-erwerbstätigen Studierenden berichten mehr als 70 Prozent von Vereinbarungsschwierigkeiten. Im Gegensatz zu den "nur" gelegentlich erwerbstätigen StudentInnen steht ihnen in Bezug auf ihre Arbeitszeit weniger Flexibilitätsspielraum zur Verfügung. Die Vereinbarkeit von Studium und Erwerbstätigkeit hängt aber nicht nur von der individuellen Studienorganisation und unterstützenden ArbeitgeberInnen bzw. Vorgesetzten, sondern auch davon ab, inwieweit die jeweiligen Hochschulen die Bedürfnisse erwerbstätiger Studierender berücksichtigen. Hier können sich die Universitäten etwas von jenen Fachhochschulen, die auf Bedürfnisse erwerbstätiger Studierender zugeschnittene, berufsbegleitende Studiengänge anbieten, abschauen.

Strukturelle Maßnahmen

In den speziell für Erwerbstätige konzipierten Fachhochschul-Studien werden Vereinbarkeitsschwierigkeiten auf unterschiedliche Weise abzumildern versucht. Von den Zwischenergebnissen einer noch laufenden Langzeitstudie der FH Wien-Studiengänge der WKW über Burnout-Prävention bei Studierenden ausgehend, werden derzeit strukturelle Maßnahmen erarbeitet, die dem Burnout von berufsbegleitend Studierenden an den FHs entgegenwirken sollen. "Diese Maßnahmen betreffen vor allem die Studienorganisation", führt Gudrun Gaedke, Projektleiterin der Studie, aus. Konkret gehe es beispielsweise um eine bessere Verteilung der erforderlichen Semesterwochenstunden auf das gesamte Semester oder auch "um eine bessere Streuung der Prüfungen", die derzeit alle innerhalb einer Woche stattfinden. Auch kleinere Maßnahmen in den einzelnen Lehrveranstaltungen könnten dazu beitragen, das Belastungsgefühl der Studierenden zu reduzieren: „Wenn Gruppenarbeiten in kleineren Gruppen stattfinden, wird der Koordinierungsaufwand für die involvierten Personen maßgeblich reduziert. Das spart viel Zeit", sagt Gaedke.

Zeit- und Leistungsdruck 

Die Furcht, Studienzeit zu verlieren, ist seit Einführung der Bologna-Architektur bei den Studierenden so präsent wie noch nie zuvor. Durch die extrem verschulte Studienstruktur kann schnell ein Semester verloren werden, etwa wenn man keinen Lehrveranstaltungsplatz mehr bekommt oder eine Prüfung nicht besteht. Ob der permanente Zeit- und Leistungsdruck, der durch die Einführung des Bologna-Systems weiter verstärkt wurde, seinen Ausdruck in einer steigenden Nachfrage am Angebot der psychologischen Studierendenberatung findet? Den Eindruck habe er zum Teil schon, sagt Franz Oberlehner, der Leiter der Beratungsstelle, auch wenn er ihn nicht mit Zahlen belegen könne. Noch nicht. (Meri Disoski, derStandard.at, 26.11.2010)