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Wie dieser Koboldmaki sind noch immer zahlreiche Säugetierarten nachtaktiv - ganz wie ihre und unsere Vorfahren.

Foto: REUTERS/Cheryl Ravelo

Berlin - Ohne eine tägliche Dunkelperiode von verlässlicher Länge säßen wir heute gar nicht hier: Weit über 100 Millionen Jahre hinweg war die Nacht das wichtigste Refugium der Säugetiere, während Reptilien den Tag beherrschten. Erst mit dem Verschwinden der Dinosaurier und deren Verwandter bot sich auch den Säugetieren die Gelegenheit, aus ihrer Randexistenz herauszutreten und alle ökologischen Nischen - örtliche ebenso wie zeitliche - zu besiedeln.

Die lange Zeit der Nachtaktivität hat Spuren hinterlassen - etwa dass die meisten Säugetiere im Vergleich zu Vögeln und anderen Reptilienabkömmlingen nur eingeschränktes Farbsehvermögen haben. Als Primaten gehören wir just zu der großen Ausnahmegruppe unter den Säugetieren. Und gerade das gefährdet nun ironischerweise unsere "Urheimat": Unsere Lichtversessenheit kombiniert mit dem Stand der Technik führt nämlich dazu, dass die Nacht zunehmend in Bedrängnis gerät - Stichwort Lichtverschmutzung.

Evolution wird neue Wege gehen

Wissenschafter des Berliner Leibniz-Institutes für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) haben sich in einer in "Trends in Ecology and Evolution" veröffentlichten Studie den ökologischen Auswirkungen der Lichtverschmutzung am Beispiel Deutschland gewidmet. Der nächtliche Himmel Deutschlands wird durch einen mehr als fünfprozentigen Zuwachs an künstlicher Beleuchtung jedes Jahr stetig heller. Dadurch haben sich die Lichtimmissionen der urbanen, periurbanen und ruralen Nachtlandschaften sowohl quantitativ als auch qualitativ grundlegend verändert. Je nach Lichtstärke, Farbspektrum sowie Zeitpunkt und Dauer der Beleuchtung kann dann jede einzelne künstliche Lichtquelle negative Folgen auf lichtsensible - zumeist nachtaktive - Organismen haben. Es muss davon ausgegangen werden, dass es schon zu einer Verschiebung und Abnahme der natürlichen biologischen Vielfalt gekommen ist: Immerhin sind erstaunlich viele Arten nachtaktiv. Rund 30 Prozent aller Wirbeltiere und mehr als 60 Prozent aller Wirbellosen nutzen die Nacht für ihre Aktivitäten.

Aber auch evolutionäre Folgen der rapiden Veränderung der Nachtlandschaft auf Organismen sind zu erwarten. Zwar wird es in urbanen Zentren zukünftig viele lichtsensible Arten nicht mehr geben, aber einige Arten werden sich möglicherweise evolutionär an die neue Lichtsituation anpassen - oder haben es bereits getan. Auch sogenannte "Ökosystemdienstleistungen" können durch Lichtverschmutzung beeinflusst werden. Neben kulturellen Werten zählen dazu unter anderem die Bestäubung von Kultur- und Naturpflanzen durch Nachtfalter sowie die Veränderung von Nahrungsnetzen und damit der Produktivität des Systems. (red)