Wien - Das Justiz-Sparpaket erschwert den Zugang zum Recht. Dies wird in vielen Begutachtungsstellungnahmen konstatiert. Konkret geht es um die Streichung des mündlichen Vorbringens in Zivil- und Sozialrechtssachen, die steigenden Gerichtsgebühren und die Verkürzung der Klagsfristen für Pensionisten und Pflegegeldbezieher. Der Oberste Gerichtshof (OGH) warnt vor einem "(weiteren) schweren Schaden" für den Ruf der Justiz. Die Behauptung des Ministeriums, dass der Zugang zum Recht verbessert werde, sei "in keiner Weise nachvollziehbar".

Das Ministerium will in Zivil-, Arbeits- und Sozialrechtssachen die Möglichkeit kappen, Klagen, Anträge, Rechtsmittel oder sonstiges beim Amtstag persönlich zu Protokoll zu geben. Nur mehr schriftliche Eingaben sollen gelten. Die Frist für Klagen gegen Bescheide der Sozialversicherungsträger auch in Pensions- und Pflegegeldsachen soll von drei Monaten auf vier Wochen gekürzt werden. Erhöht werden Gebühren etwa für Firmen- und Grundbuch oder Aktenkopien. Begründet wird dies im von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (von der ÖVP ins Amt berufen) vorgelegten Budgetbegleitgesetz mit Entlastung der Gerichte und Effizienzsteigerung.

Der OGH beurteilt die Vorhaben sehr kritisch. Einschneidenden Änderungen wie die Abschaffung des Protokoll-Vorbringens ohne ausreichende Diskussion seien "strikt abzulehnen". Denkbar wäre dies nur, wenn dafür gesorgt ist, dass "auch nicht in diversen Institutionen organisierte Personen" österreichweit auf andere Weise Rechtsschutz bekommen. Andernfalls "würde das Recht des Einzelnen auf Zugang zu Gericht schwerwiegend beeinträchtigt".

Auch viele andere Kritiker gibt es, breitgestreut und über Parteigrenzen hinweg: Sozialministerium, Frauenministerium, der Hauptverband der Sozialversicherungsträger, ÖGB, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer, die Tiroler und die Salzburger Landesregierung oder der Bewährungshilfeverein "Neustart" beklagen den eingeschränkten Zugang zum Recht.

Richter unzufrieden

Die empfohlene Alternative der Hilfe durch Interessensvertretungen oder kostenlosen Beratungseinrichtungen wird als untauglich erachtet. Nicht alle Betroffenen seien AK- oder Gewerkschaftsmitglied, also müssten sie unter hohem Kostenrisiko Anwälte beauftragen, merkt der ÖGB an. Beratungsstellen etwa für Familien könnten den Klientenanstieg nicht bewältigen und seien auch fachlich oft nicht in der Lage, komplexe Rechtsberatung zu leisten, merkt das Frauenministerium an.

Die WKÖ konstatiert einen "offensichtlichen Unwillen der Gerichtsbarkeit, mit direkten Eingaben der Rechtsunterworfenen konfrontiert zu werden". Sie sollten wohl "sukzessive gezwungen werden", sich der Anwälte oder Notare zu bedienen.

Auch die Richter selbst sind unzufrieden: Es sei wohl "schwer nachvollziehbar", wenn in einer Abteilung bearbeitete ähnliche Geschäftsfälle unterschiedlich behandelt werden. So könnte künftig eine Scheidungsklage nicht mehr mündlich vorgebracht werden, ein Antrag auf Obsorge schon.

"Nicht die richtigen Signale"

Die kürzere Klagsfrist im Sozialrecht wird vom OGH klar abgelehnt: "Die radikale Verkürzung .... bewirkt eine wesentliche Schlechterstellung des Versicherten, für die überhaupt kein konkreter Grund genannt wird; ein solcher ist auch nicht zu erkennen."

Der ÖGB kann "die angebliche Verfahrensvereinfachung" nicht sehen - "es sei denn, der Gesetzgeber ginge davon aus (was nicht unterstellt werden soll!), dass infolge der drastisch verkürzten Frist .... viele Betroffene eine Klagseinbringung nicht rechtzeitig 'schaffen'". Es werde viele Wiedereinsetzungsverfahren geben, die "den erhofften Einsparungseffekte zu Nichte machen", merkt die AK an. Der Hauptverband hält die Frist vor allem für Pflegegeldbezieher für "nicht ausreichend".

In Sachen Gebühren konstatiert der OGH "dass das Recht auf Zugang zu Gericht im Zentrum der Verfahrensgarantien des Art. 6 Menschenrechtskonvention steht. Unangemessen hohe Gerichtsgebühren können dazu führen, dass der Zugang zu Gericht beschränkt oder verhindert wird."

Der Gemeindebund stellt fest, dass "dies im Zeitalter von E-Government und Kundenorientierung nicht die richtigen Signale sein können". Die WKÖ fordert die Senkung der Kopier-Gebühren. Das Frauenministerium verweist auf einen speziellen Fall, nämlich dass ein Antrag auf Fortführung eines Verfahrens künftig 90 Euro kosten soll. Gerade Gewaltopfer sollten aber nicht durch Gebühren davon abgehalten werden, die Fortführung eines Verfahrens zu verlangen. (APA)