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Ein pensionierter Elektriker will von Pablo Picasso 271 Arbeiten als Bezahlung bekommen haben, darunter dieses Bild. Den Gesamtwert des Funds schätzt man auf 60 Millionen Euro.

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Das bezweifeln die Erben. Ist diese kunsthistorische Sensation ein Kriminalfall?

Im Krimi ist der Täter oft der Gärtner. Im realen Leben gebührt die Ehre vielleicht dem Elektriker. Ein 71-jähriger Handwerker namens Pierre Le Guennec behauptet, er habe von Pablo Picasso 271 Werke für Handwerkerdienste geschenkt bekommen.

Laut der Pariser Zeitung Libération hatte Le Guennec zu Jahresanfang einen Brief an Picassos Sohn Claude geschickt, mit der Bitte, 26 Werke zu authentifizieren. Er wolle sicher sein, dass er echte "Picassos" besitze, teilte er mit. Weitere Briefe folgten. Sehr perplex, wie Libération schreibt, antwortete der Nachlassverwalter des spanischen Malergenies, er könne aufgrund schlechter Fotos nicht urteilen. Also erhielt Claude Picasso in seinem Pariser Büro Besuch von dem älteren Ehepaar.

Dabei hatten sie einen Koffer. Und im Koffer ein Museum. Abbildungen neun kubistischer Collagen, die laut Experten eine absolute Rarität darstellen und allein 40 Millionen Euro wert sind. Dazu dreißig Lithografien, 200 Zeichnungen mit Porträts von Picassos erster Frau Olga; ferner Studien aus der Blauen Periode, Arabesken, Skizzen von einer Kreuzigung, Satyren oder – selten bei Picasso – Landschaften. 271 Werke insgesamt, alle aus Picassos reicher Schaffensperiode von 1900 bis 1930, mit einem Schätzwert von rund 60 Millionen Euro.

Und die Objekte sind echt. Daran zweifelten die sechs Picasso-Erben, die bei der Kofferöffnung anwesend waren, keine Sekunde. Eine so breite Palette von Kunstformen so genial zu fälschen, halten sie schlicht für unmöglich.

Viele Werke sind nummeriert, und zwar mit einem System, das Außenstehenden gar nicht bekannt ist. Man kann sich die Picasso-Familie bei dem Treffen im September nur mit offenen Mündern vorstellen. Ihr gegenüber ein Senior, der behauptet, er habe während der letzten drei Lebensjahre des großen Malers (1881- 1973) als Elektriker in seinen Villen in Cannes, Vauvenargues und Mougins an der Côte d'Azur gearbeitet; dabei habe er unter anderem Alarmanlagen eingebaut. Picasso selbst, zum Teil auch seine 1986 verstorbene Gattin Jacqueline, habe ihm die Werke geschenkt.

Aus dem Staunen nicht mehr herauskommend, ließ Claude Picasso das Rentnerpaar ziehen. Dann schaltete er die Justiz ein. Einiges schien ihm etwas mysteriös. Der Elektriker nannte Picasso "maître", obwohl der Maler diesen Ausdruck verabscheute. Vor allem habe Picasso nur selten Werke verschenkt, wenn, dann mit Datum und Widmung versehen.

Im Oktober stellte die Polizei den Kunstschatz am Wohnort des Elektrikers im südfranzösischen Mouans-Sartoux sicher. Die beiden Rentner kamen in Untersuchungshaft. Sie werden nun wegen Hehlerei verfolgt. Das kann unter Umständen ärgerlich werden, denn dieser Tatbestand verjährt nach französischem Recht nicht, solange der Täter das Objekt in seinen Händen hat. Kunstdiebstahl verjährt hingegen nach dreißig Jahren, was Entschädigungsforderungen anbelangt.

Wartete das Elektrikerpaar diese Frist ab? Mittlerweile wieder frei, will sich Pierre Le Guennec dazu nicht äußern: Dem einzigen Journalisten, der ihn telefonisch erreichte, sagte er offenbar nur: "Komme, was wolle." Dann legte er wieder auf. Der Picasso-Krimi, so es einer ist, hat gerade erst begonnen. (Stefan Brändle , DER STANDARD – Printausgabe, 30. November 2010)