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"Folter hat das Ziel die Persönlichkeit zu zerstören", sagt Siroos Mirzaei, Mitbegründer von Hemayat. (Bild: Demonstranten 2007 in Berlin)

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Siroos Mirzaei ist gebürtiger Iraner und arbeitet als Primar-Arzt im Wiener Wilhelminenspital.

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Sonja Brauner ist seit vier Jahren als Psychotherapeutin für Hemayat tätig.

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Das Wort "Hemayat" kommt aus dem persischen und arabischen Sprachraum und bedeutet "Betreuung" oder "Schutz". In Wien steht das Wort seit fünfzehn Jahren für die Arbeit mit Folteropfern und kriegstraumatisierten Menschen. Anlässlich des Jubiläums hat der Verein Hemayat das Buch "Abbilder der Folter" veröffentlicht, in dem Mitarbeiter über ihre Arbeit berichten. "Uns war wichtig, die Informationen über unsere Arbeit weiterzugeben und so etwas zum Kampf gegen die Folter beizutragen", sagt Siroos Mirzaei, Gründungsmitglied des Vereins. Man wollte eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Thema erreichen.

Jährlich an die 700 Klienten werden von den Experten bei Hemayat betreut und obwohl das Team mittlerweile aus über 50 Mitarbeitern besteht, gebe es Wartezeiten für einen Therapieplatz von bis zu vier Monaten. Dabei steige laut Mirzaei der Bedarf für Plätze kontinuierlich, die Herkunftsländer der Opfer, würden sich aber laufend verändern. "Als wir mit dem Projekt begonnen haben, lag unser Schwerpunkt vor allem auf dem Krisengebiet Balkan. Später betreuten wir vor allem tschetschenische Flüchtlinge und in weiterer Folge auch vermehrt Personen aus dem Irak und Afghanistan", sagt Mirzaei und fügt hinzu: "Und der Iran ist sowieso ein Dauerbrenner."

Die Anfänge

Mirzaei stammt selbst aus dem Iran, hatte aber "zum Glück persönlich nie etwas mit Folter zu tun, das Thema war aber nicht unbekannt." In seiner Zeit als Sprecher der Ärztegruppe von Amnesty International hatte er immer wieder mit traumatisierten Flüchtlingen zu tun und schrieb deshalb einen Artikel in der "Ärztewoche". Darin beschrieb er den bestehenden Bedarf für einen Verein, der sich dieser Klienten annimmt. Eine Psychologin und ein Psychiater meldeten sich daraufhin und Hemayat war geboren. "Am Anfang behandelten wir noch zu Hause, weil wir keine Infrastruktur hatten", erinnert sich Mirzaei.

Psychotherapie bei Kindern

Seit vier Jahren ist auch Sonja Brauner Teil des Hemayat-Teams. Sie ist Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt Traumapatienten und betreut vor allem Kinder und Jugendliche. Sie behandelt im Moment sechs Kinder und sechs Erwachsene als Klienten des Vereins. Außerdem fallen die Erstgespräche mit Kindern und Jugendlichen in ihren Aufgabenbereich. Als Schwierigkeit aber zugleich angenehme Herausforderung in der Therapie bezeichnet Brauner die verschiedenen Kulturen und Sprachen. Ein Dolmetscher sei zu Beginn immer dabei, doch nach dem Übersetzen herrsche "manchmal eine richtige Sprachlosigkeit. Die Kinder lernen aber sehr schnell Deutsch, sodass ich den Übersetzer vor allem für die Elterngespräche brauche."

Auch nicht einfach sei die Tatsache, dass viele der Patienten noch keinen positiven Asylbescheid hätten und sie deshalb nicht wüsste, wie lange sie die Therapie durchführen könnte, so Brauner. Manche Klienten würden noch während der Behandlung abgeschoben werden.

Sprachlosigkeit

Ihre aktuell jüngste Patientin ist ein fünfjähriges Mädchen aus Georgien, das in Österreich geboren wurde, aber von Beginn an kein Wort gesprochen hat - weder auf Deutsch noch Georgisch. Ihre Eltern mussten aus politischen Gründen aus Georgien fliehen und auch in Österreich mit Misstrauen und Ablehnung kämpfen. "Meine erste Hypothese war deshalb, dass das Kind nicht spricht, weil es mitbekommen hat, dass seine Eltern nicht gehört werden", erzählt Brauner. Vor ein paar Wochen sei das Mädchen dann aber mit zwei Blumensträußen in die Therapiestunde gekommen und hätte gesagt: "Die habe ich für dich ausgesucht". Für Brauner das mitunter bewegendste Erlebnis in ihrer Zeit bei Hemayat.

Shiatsu als Therapie

Der Verein bietet neben medizinischen Untersuchungen und psychologischer Unterstützung, auch Shiatsu-Therapien an. "Darauf sind wir ganz besonders stolz", sagt Mirzaei. Viele Experten seien bei dieser Therapieform skeptisch gewesen, da man Folteropfer nicht durch Hände behandeln könne, da diese bei den Misshandlungen auch eingesetzt worden wären. "Wir hatten aber eine kurdische Frau, die schwer vergewaltigt wurde und unter heftigen Symptomen, wie Schlaflosigkeit, Depressionen und sozialer Abkapselung, gelitten hat", so Mirzaei. Man habe zu dem Zeitpunkt aber keinen Therapieplatz frei gehabt und deshalb Shiatsu bei ihr ausprobiert. Die Symptome hätten sich dadurch lindern lassen.

Verspätete Zahlungen

Wie alle sozial-engagierten Organisationen, kämpft auch Hemayat mit der Finanzierung. Für die Zukunft wünscht sich Brauner eine "Grundsicherung für den Verein" und vor allem, "dass man seinem Geld nicht mehr nachlaufen muss". Auch Mirzaei bestätigt, dass das Innenministerium neben der Europäischen Union der wichtigste Geldgeber sei, Honorarnoten aber erst mit bis zu acht Monaten Verspätung an die Mitarbeiter ausgezahlt werden würden. "Das geht so nicht, manche leben von der Arbeit für den Verein", klagt Mirzaei.

Mirzaei führt diesen Missstand aber darauf zurück, dass Hemayat trotz seines fünfzehnjährigen Bestehens noch immer auf Projektbasis läuft. Das bedeutet, dass jährlich ein Antrag eingereicht und bewilligt werden muss. "Und die Bürokratie braucht lange", so Mirzaei.Er würde sich wünschen, dass dieses jährliche Prozedere zumindest auf drei Jahre ausgedehnt wird, damit man sicherer planen könne. Gespräche zu diesem Thema würden mit dem Ministerium immer wieder geführt werden.

Fehlerhafte Gutachten im Asylbereich

Trotz der erfolgreichen Arbeit des Vereins, mussten laut Mirzaei auch Rückschläge eingesteckt werden. Einer der wichtigsten Kritikpunkte des Mitbegründers ist, dass es während der Asylverfahren immer wieder zu fachlich fehlerhaften Gutachten komme. Um solche Fehler in Zukunft zu vermeiden, seien intensive Gespräche und ein Austausch mit der Behörde notwendig. Außerdem plädiert Mirzaei dafür, dass "Traumatisierte nicht in Schubhaft genommen werden - denn das ist verantwortungslos".

Die aktuelle Abschiebungspraxis ist für Mirzaei "nicht optimal". Sinnvoller sei es, Personen, die in Österreich ein besseres Leben suchen, bereits in ihrem Heimatland einen Aufenthaltsantrag stellen zu lassen. So würden die Antragssteller schon vor ihrer Ankunft in Österreich wissen, ob ihre Arbeitskraft benötigt werde. Seiner Meinung nach, würde diese Maßnahme Abschiebungen drastisch reduzieren. Außerdem sei es "auch eine Frage des Geldes, denn Menschen wieder auszufliegen, kostet nicht wenig". (Bianca Blei, derStandard.at, 2.12.2010)