Arezu Zejnab Aliabadi.

Foto: MedUni Wien

Arezu Zejnab Aliabadi ist vergangenes Jahr mit dem Young Investigator Award für ihre Arbeit zum Thema "Gender-Effekt bei Herztransplantationen" ausgezeichnet worden. Die 31-jährige Medizinerin und Forscherin erzählt im Karriere-Telegramm über ihre Arbeit und Leidenschaft - die Herzchirurgie.

derStandard.at: Sie konnten mit Ihrer Arbeit erstmals zeigen, welche Auswirkungen das Implantieren von Frauen- bzw. Männerherzen auf die jeweiligen Geschlechter bei der Abstoßungs- und Überlebensrate hat. Wie erleben Sie das Gender-Thema in Ihrem Job als Ärztin und Forscherin?

Aliabadi: Ich glaube schon, dass es leider in manchen Berufsgruppen nach wie vor so ist, dass man als Frau härter und vielleicht mehr arbeiten/kämpfen muss um dieselben Ziele wie männliche Kollegen erreichen zu können. In meinem Fall, der Herzchirurgie, welche eine der letzten wirklichen Männerdomänen ist, ist es zumindest so.

Auch wenn unter den jungen Kollegen mittlerweile eine Ausgeglichenheit, das Geschlecht betreffend, besteht, so kommt nicht selten das Gefühl auf, dass Männer in ihrer Ausbildung mehr unterstützt und gefördert werden als Frauen. Wie gesagt, dass ist nur ein Gefühl, welches ich allerdings mit einigen Kolleginnen teile. Das spornt und auch an noch mehr zu geben um Tag für Tag unseren "Mann" in der Arbeit zu stehen.

derStandard.at: Wie lange brauchten Sie für das Medizinstudium?

Aliabadi: Mit 24 Jahren hatte ich meine Promotion. Ich kann nicht von mir behaupten, dass ich eine besonders gute Studentin gewesen wäre - ganz im Gegenteil. Hin und wieder musste ich auch Prüfungen wiederholen. Für den ersten Abschnitt des Studiums habe ich auch länger als der Durchschnitt gebraucht.

Doch mit den ersten klinischen Praktika und Patientenkontakten kam der Drang das Studium so schnell wie möglich abzuschließen um endlich am Patienten arbeiten zu können. Dafür habe ich doch einige private "Opfer" in Kauf genommen - und mich intensiv dem Lernen gewidmet. Da waren zehn Stunden büffeln pro Tag keine Seltenheit und kurz vor einer Prüfung gehörten auch durchgemachte Nächte zur Tagesordnung - wie sich später herausstellen sollte, schon ein gutes Training für die Nachtdienste.

derStandard.at: 2007 wurden Sie als erste Person weltweit zur Organ Care System Spezialistin ausgebildet. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?

Aliabadi: Das war zu Beginn eine ziemlich schwierige Situation, weil es ein sehr technischer Bereich war und ich noch nicht so viel Fachwissen bezüglich der Herzchirurgie und Herzperfusionsmodelle hatte. Nach einer längeren, sehr intensiven Einschulung in den USA und vor allem einem guten Team, in das ich voll integriert war, habe ich bald gelernt mit dem Druck und der Verantwortung gut umzugehen. Natürlich hat das Vertrauen, das mir mein Teamchef Professor Zuckermann von Anfang an entgegengebracht hat, sehr viel dazu beigetragen, dass ich mich selbstständig entfalten konnte und mir auch ein gewisser Druck von den Schultern genommen worden ist.

derStandard.at: Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten, was am wenigsten?

Aliabadi: Am besten gefällt mir das Arbeiten an und mit Patienten, hochkomplexe Operationen mit hoher Genauigkeit durchzuführen und das Gefühl mit meinen Händen schwere medizinische Probleme lösen zu können. Auch die Arbeit unter extremem Zeitdruck und nicht selten bis an meine Grenzen, ist eine Herausforderung.

Die Herztransplantation (HTX) ist sicher der Teil der Herzchirurgie der mich von Beginn an meiner Ausbildung am meisten fasziniert hat, und den ich am spannendsten finde. Die HTX vereint viele der oben genannten Punkte und es kommt mir immer noch wie ein Wunder vor, wenn bei einem Patienten das soeben implantierte Herz wieder zu schlagen beginnt. Wissenschaft ermöglicht auch Kooperationen mit anderen nationalen sowie internationalen Zentren und so können sehr interessante Projekte hervorgehen und auch Freundschaften entstehen.

Weniger gefällt mir die Bürokratie, welche im medizinischen Sektor, wie aber auch überall sonst, immer mehr zunimmt, der Papierkrieg der einem die Kraft für klinische Tätigkeiten raubt, sowie das manchmal etwas raue Klima in einem so hoch kompetitiven Feld.

derStandard.at: Wie viele Stunden arbeiten Sie pro Woche?

Aliabadi: Offiziell habe auch ich eine 40 Stunden Woche. Dies ist aber fern von der Realität. Würde ich Lehre, Zeit für Wissenschaft und klinische Überstunden mitzählen, würde ich diese Stundenzahl um ein Vielfaches überschreiten. Patientenversorgung hat immer Vorrang und es ist nicht möglich bei einer Herzoperation, welche nicht selten über sechs Stunden dauern kann, einfach vom OP-Tisch abzutreten und nach Hause zu gehen. So kommt man auch zwangsweise hin und wieder an die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes.

derStandard.at: Was war Ihr Berufswunsch als Kind?

Aliabadi: Solange ich mich erinnern kann, war mein Berufswunsch Medizin zu studieren. Allerdings wollte ich bis zum Ende meines Studiums Gerichtsmedizinerin werden. Das änderte sich schnell als ich 2004 als Transplantkoordinatorin im AKH Wien auf der Herzchirurgie begonnen hatte zu arbeiten und ich das erste Mal bei einer Herztransplantation dabei sein durfte. Da stand für mich fest, dass ich irgendwann einmal selbst Herzen transplantieren will. Dieser Wunsch ging in Erfüllung.

derStandard.at: Was bringt die Zukunft?

Aliabadi: Beruflich: Ich hoffe, dass ich eine gute, solide, umfangreiche Ausbildung zur Herzchirurgin erhalten werde und ich nach Abschluss meiner Facharztausbildung habilitieren kann. Den Rest wird die Zukunft bringen.

Mein privates Leben stelle ich im Moment dem Beruflichen hinten an. Dass soll allerdings nicht immer so bleiben. Ich hege zwar keine großen Kinderwünsche, was in der Herzchirurgie auch nicht so einfach ist, dennoch schließe ich es nicht kategorisch aus irgendwann eine Familie zu gründen.

derStandard.at: Was raten Sie angehenden MedizinerInnen?

Aliabadi: Ich rate allen nur Medizin zu studieren, wenn es auch wirklich der absolute Berufswunsch ist. Als Arzt/Ärztin zu arbeiten, ist ein so zeitaufwendiger und verantwortungsvoller Beruf, dass man ihn nur gut ausüben kann wenn man vollen Einsatz zeigt, von dem überzeugt ist, was man tut und auf einiges verzichten kann.

Wenn man sich dann dafür entschieden hat, ist es wichtig an sich selber zu glauben und auch Rückschläge und Niederlagen in Kauf zu nehmen. Diese machen einen nur stärker um seine gesetzten Ziele zu erreichen. Lebt euren Traum - es kann ein schöner sein! (Marietta Türk, derStandard.at, 10.3.2011)