Foto: OSZE

Folgt man Erkenntnissen des Europäischen Rechnungshofs, dann hat der Missbrauch mit EU-Geldern grosso modo eindeutig Namen und Adresse: Er findet weniger in den zentralen Institutionen statt als in den Regionen. Am meisten betrogen wird in jenen Ländern, die am meisten Subventionen kriegen, im Süden mehr als im Norden.

So gesehen könnte Giovanni Kessler als neuer Chef der EU-Behörde für Betrugsbekämpfung (Olaf) eine Idealbesetzung sein: Der 54-Jährige studierte Jurist kommt aus Italien; als früherer Staatsanwalt und Mafiajäger in Sizilien hat er einschlägige Erfahrungen mit organisierter Kriminalität; und er ist ein Spezialist für die Verwaltung in den Regionen - bis zu seiner Ernennung als Olaf-Chef war er Präsident der Regionalparlaments des Trentino, bzw. hat sich auch im Ausschuss der Regionen in Brüssel engagiert.

Das Engagement in der Politik konnte Giovanni Kessler von klein auf an seinem Vater Bruno studieren. Der war einst Präsident im Trentino, und italienischer Vize-Innenminister. Sohn Giovanni studierte zunächst in Bologna, ehe er zum Staatsanwalt ausgebildet wurde. Nach Anstellungen in den Justizbehörden in Trient und Bozen machte er als Leiter einer OSZE-Mission 1999 Station im Kosovo. In seinem Fach gilt Kessler auch als absoluter Spezialist im Umgang mit Geldfälscherei.

Im Anschluss an die Kosovo-Mission zog er 2001 als Abgeordneter ins Parlament ein. Hatte er sich zunächst für die Christdemokraten engagiert, landete er später über den Umweg der Demokratischen Linken bei dem Partito Democratico. Mit dem Wechsel zu "Olaf" muss er der Politik - wieder einmal - Ade sagen.

Die Behörde zur Betrugsbekämpfung ist an die EU-Kommission angeschlossen, gleichwohl ist sie unabhängig. Rund 500 Mitarbeiter muss der Italiener anführen, die meisten von Ihnen Richter, Staatsanwälte, Polizisten oder Zollbeamte. Ihre Aufgabe ist es, einerseits selber Ermittlungen durchzuführen, vor allem aber mit den Behörden quer durch Europa zusammenzuarbeiten und anzuweisen.

Die Aufgabe wird für Kessler nicht ganz einfach. Denn die Spitze der Olaf war nach dem Tod von Franz Hermann Brüner vor fast einem Jahr verwaist. Dieser hatte Olaf seit 1999 als unabhängige Agentur aufgebaut, gegen viele Widerstände aus der Kommissionsverwaltung, der Autonomie eher suspekt ist. Auch damit hat Giovanni Kessler Erfahrung. Er ist verheiratet, hat zwei Kinder. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2010)