Bild nicht mehr verfügbar.

Zumindest als Frohnaturen fallen die Regierungschefs Pröll und Faymann auf. Meinungsforscher finden ihre Performance weniger zum Lachen.

Foto: Foto: Hans Punz/dapd

Wien - Von wegen Sparpaket und andere "Herkulesaufgaben": Geht es nach Peter Hajek, dann stehen der Regierung die größten Herausforderungen noch bevor. "In den kommenden Jahren entscheidet sich die Zukunft der Koalitionsparteien", meint er: "Reißen SPÖ und ÖVP nicht endlich das Ruder herum, werden sie eingehen."

Hajek ist nicht der einzige Meinungsforscher, der Rot und Schwarz im Abwärtsstrudel sieht. Nicht nur desaströse Umfragedaten, sondern auch die "große Erleichterung" über Rot-Grün in Wien wertet Peter Ulram vom GfK-Institut als untrügliches Zeichen dafür, dass die Neigung der Österreicher, eine große Koalition für das kleinere Übel zu halten, schwinde. Zwar seien die nackten Fakten - Stichwort Krisenbewältigung - "kein Grund, die Regierung substanziell abzustrafen". Doch vergangene Verdienste würden in den Augen der Wähler nicht die fehlende Agenda für die Zukunft aufwiegen, meint Ulram: "SPÖ und ÖVP wissen nicht mehr, was sie gemeinsam wollen."

"Der Großteil Leute will eine Ruh' haben - und keine Regierung, die den Anschein erweckt, nichts zu arbeiten und viel zu streiten", ergänzt Hajek. Der Politikberater empfiehlt den Koalitionsparteien, einen bis zum Wahljahr 2013 reichenden Pakt aufzusetzen, um sich - möglichst gemeinsam mit den Ländern - zu geeintem Auftreten und drei zentralen Reformprojekten zu verpflichten: Bildung, Pensionen, Gesundheit. "Bringt die Regierung da etwas weiter, muss sie sich über ihre Kampagnen nur halb so viel den Kopf zerbrechen", sagt Hajek, der das in Parteien beliebte Gejammere über den "schlechten" Verkauf der eigenen segensreichen Politik für eine Ausrede hält: Wenn es keine Inhalte gebe, könne auch nichts angepriesen werden.

Klingt simpel - doch warum haben sich Werner Faymann und Josef Pröll dann bis dato nicht zum großen Schulterschluss durchgerungen? "Die Politik traut sich nicht", konstatiert Hajek. Beinahe panisch schreckten die einst großen Volksparteien davor zurück, ihre jeweilige Stammwählerschaft vor den Kopf zu stoßen - schließlich sei diese die einzige Basis, die noch geblieben ist. Doch im erreichten Stadium des Niedergangs würden nicht einmal mehr die Kernschichten das Überleben in regierungstauglicher Größe sichern. Die Koalitionsparteien müssten deshalb schleunigst den Schritt über selbst gesteckte Grenzen hinaus wagen, wie das die ÖVP mit der Perspektivengruppe ja versucht habe, meint Hajek: "Sie würden damit Stammwähler vergraulen - aber auch neue Wähler gewinnen."

Zeitfenster schließt sich

Jedoch klappe das Zeitfenster für Reformen, das sich in der Krise geöffnet habe, im Zuge des Aufschwunges bereits wieder zu. Und Günther Ogris vom Sora-Institut sieht noch ein anderes, selbst verschuldetes Handicap. "Die Regierung verfolgt eine Sparpolitik, die Bildungsreformen blockiert und Zukunftshoffnung ausschließt", meint er: "Damit verärgert sie die politisch aktivste Gruppe, die junge Intelligenz. Das doppelte Signal, das ausgesendet wird: "Wir zerstören eure Chancen - und holen gleichzeitig die besten Kräfte von außen ins Land."

Auch aus strategischen Gründen empfiehlt der Demoskop deshalb, die verpasste Investitionsoffensive in Sachen Bildung nachzuholen: "Reformen durch Geldmangel zu erzwingen, führt zur Unbeliebtheit der Regierung. Dieses Match verliert man immer."

Ein anderes hält Ogris angesichts der fortschreitenden Erosion von SPÖ und ÖVP für bereits entschieden: "Das wird die letzte große Koalition sein." (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 3.1.2011)