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Cesare Battisti: Linksextremist, Krimiautor und Streitfall.

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Jugendlich wirkt er, der schmale Mann, dem seine Aufenthalte in Gefängnissen diverser Länder nicht anzusehen sind. Im Bubengesicht des 56-Jährigen spiegelt sich keines der Verbrechen, deretwegen ihn Italiens Politiker in seltener Einmütigkeit ausgeliefert sehen wollen. So sehr, dass die römische Regierung nun eine offene diplomatische Krise mit der aufstrebenden Großmacht Brasilien riskiert.

Cesare Battisti, ein Namensvetter des im Ersten Weltkrieg von den Österreichern exekutierten Trentiner Irredentisten, ist in Italien seit 15 Jahren letztinstanzlich wegen Mordes und Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung zu lebenslanger Haft verurteilt. Das ehemalige Mitglied der "Bewaffneten Proletarier für den Kommunismus" entzog sich seiner Strafe durch einen Ausbruch aus dem Gefängnis von Frosinone und jahrzehntelange Flucht - nach Mexiko, Frankreich und zuletzt Brasilien.

Vor allem im Frankreich wurde aus Battisti dabei so etwas wie ein Star. Der Linksextremist, der in den "bleiernen" 1970er-Jahren in Italien einen bewaffneten Kampf gegen das Establishment führte, begann Romane zu schreiben. Die in heißherziger Apologetik geübte Pariser Intellektuellenszene fand Gefallen an dem Mann. Politischen Schutz erhielt er durch einen Ukas Präsident François Mitterrands, der Auslieferungen linker Gewalttäter nach Italien verbot, weil er dort keine Gerichtsbarkeit gemäß europäischen Standards erkennen konnte.

Mehrfach lehnte Paris eine Abschiebung Battistis, der stets seine Unschuld beteuerte, ab. 2004 allerdings begann die "Mitterrand-Doktrin" zu verblassen, und der Autor wurde kurz in Haft genommen. Als er sich wieder auf freiem Fuß befand, bog er nach Brasilien ab.

2007 wurde er dort in U-Haft genommen, derzeit verbüßt er eine Haftstrafe wegen illegaler Einreise nach Brasilien. 2009 gestanden ihm die Behörden den Flüchtlingsstatus zu, weil sie nicht auszuschließen vermochten, dass er in Italien politisch verfolgt werde. Vor einer Freilassung Battistis will der Oberste Gerichtshof in Brasilien nun überprüfen, ob diese in Einklang mit den Auslieferungsverträgen des Landes mit Italien stehe.

Warum Lula an seinem letzten Amtstag die Auslieferung verweigerte, gibt Anlass zu Spekulationen: Er wollte seine Nachfolgerin nicht damit belasten, wird unter anderem gemutmaßt. Das Gegenteil allerdings könnte mit den heraufziehenden "bleiernen Zeiten" zwischen Rom und Brasília der Fall sein. (Christoph Prantner/DER STANDARD-Printausgabe, 3.1.2011)