Bild nicht mehr verfügbar.

Der Erwin-Pröll-Stellvertreter über anstehende Reformen im Gesundheitsbereich: "Zu einem großen Paukenschlag wird es nicht kommen."

APA-FOTO: HELMUT FOHRINGER

"Das ist keine Idee, sondern ein Rülpser." Wolfgang Sobotka, Landeshauptmann-Stellvertreter in Niederösterreich, protestierte Anfang November lautstark gegen die Reformvorschläge von Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ). Dieser will die Krankenhäuser zentral steuern, dagegen wehrten sich bisher jedoch die ÖVP-Länder. Jetzt sagt Sobotka: "Von mir aus kann der Bund alle Kompetenzen haben. Er kann auch alle Spitäler haben, wenn er glaubt, er macht es billiger." Zustimmend reagiert der ehemalige AHS-Lehrer auf die Pläne der ÖVP im Schulbereich: "Wenn es die Gymnasien nicht gibt, haben wir auf einmal ein riesengroßes Privatschulsystem und damit ein Zwei-Klassen-System."

***

derStandard.at: Die ÖVP hat am Freitag ihr Bildungskonzept präsentiert. In der Vergangenheit gab es hier oft Reibflächen zwischen Bund und Ländern. Sind Sie zufrieden?

Sobotka: Ja. Mit der alleinigen Einführung der Gesamtschule würde sich nicht alles ändern. Aber durch die Aufwertung der Hauptschulen in neue Mittelschulen bei gleichzeitigem Erhalt der Gymnasien haben nicht nur die Schülerinnen und Schüler die höchstmögliche Ausbildungsqualität, sondern die Eltern auch die Sicherheit, ein Vielfältiges Bildungsangebot für ihre Kinder zu haben. Ich bin absolut für die neue Mittelschule, das niederösterreichische Schulmodell hat deutlich gezeigt, dass sie funktioniert.

derStandard.at: Aber die Gymnasien sollen bestehen bleiben, sagen auch Sie?

Sobotka: Ja, denn wenn es die Gymnasien nicht gibt, haben wir auf einmal ein riesengroßes Privatschulsystem und damit ein Zwei-Klassen-System. Das entscheidende ist aber doch, welche Fächer werden unterrichtet? Haben wir die richtigen Inhalte? Werden die Kinder mit den richtigen Inhalten vorbereitet auf das Leben? Werden sie individuell gefördert? Dort muss man ansetzen, das ist das allerwichtigste.

Über PISA will ich ja gar nicht mehr reden, ich sage nur eines: Wenn die Schüler alle so schlecht wären, dann müssten wir volkswirtschaftlich weit hinter Portugal und Ungarn liegen.

derStandard.at: Sie meinen, es steht gar nicht so schlecht um Österreichs Schüler?

Sobotka: Wir haben keine Daten, die wirklich etwas aussagen. Wir planen ins Ziellose und leben davon, dass die Österreicher sehr fleißige Leute sind. Wir leben davon, dass sie sich anstrengen. Die Leute haben eine Ausbildung, aber wirklich lernen tun sie im Beruf. Was wir brauchen, ist, dass die Kinder in den Familien einen festen Halt haben, dass sie in den Schulen gut betreut werden und zwar charakterlich gut betreut werden. Das ist der entscheidende Punkt, die ethische Erziehung, wenn Sie so wollen. Dort liegen unsere Stärken.

derStandard.at: Haben sich die Länder in Ihren Augen jetzt durchsetzen können?

Sobotka: Es wird immer alles auf Machtspielchen reduziert. Land gegen Bund. Oder Ministerin gegen Landeshauptleute. Das ist alles eine verkürzte Darstellung.

derStandard.at: Auch über die Gesundheitspolitik wird diesbezüglich viel diskutiert. Sie haben kurz vor Weihnachten den regionalen Strukturplan Gesundheit für Niederösterreich beschlossen. Erstmals werden sowohl die Struktur des Spitalbereichs als auch des niedergelassenen Bereichs gemeinsam geplant. Ein Schritt in Richtung Zentralisierung?

Sobotka: Wir setzen den ersten Schritt in Richtung Finanzierung und Planung aus einer Hand. Eine gemeinsame Planung unserer Gesundheitsversorgung ist notwendig, wir müssen die Synergien nutzen. Der österreichische Strukturplan Gesundheit hat uns diese Vorgaben gegeben und wir in den Ländern haben nun die Ausführungsverordnungen beschlossen, die uns daran binden, in einer Region gemeinsam zu planen. Auf alle Fälle verbessert es den Kontakt zum niedergelassenen Bereich und zu den Kassen.

derStandard.at: Sie haben einmal gesagt eine effiziente Gesundheitsversorgung erhält man durch "kleine, dezentrale Kliniken". Ohne viele, kleine Spitäler geht es also nicht?

Sobotka: Es geht nicht grundsätzlich um die Größe, es geht darum, welche Leistung die Spitäler erbringen: ob die Leistung im räumlichen, im personellen, im Sacharbeitsbereich am effektivsten erbracht wird. Nachdem wir eine Dezentralität haben, machen wir nicht überall alles. Das heißt, wir stufen die Leistungserbringung ab, setzen in den einzelnen Häusern unterschiedliche Schwerpunkte und können somit auch die kleinen Einheiten höchst wirtschaftlich führen. Der Vorteil von einem kleinen Haus liegt vor allem in der Überschaubarkeit, in der Wohnort-Nähe.

derStandard.at: Habe ich Sie also richtig verstanden: Es ist gut, wenn die Kliniken dezentral sind, aber die Planung soll zentral auf Länderebene stattfinden?

Sobotka: Es geht auch über die Länderebene hinaus. Wir planen Einkaufsgemeinschaften (etwa für Medikamente, Anm.), haben bereits welche mit Oberösterreich und Wien. Die Organisation erfolgt auf Länderebene, dort wo es darum geht, die gemeinsamen Synergien zu nutzen. Die betriebswirtschaftlichen Entscheidungen müssen aber vor Ort fallen. Die beste Qualität erhält man dezentral organisiert, aber zentral gesteuert. Synergien nützen - da hab ich ja auch nichts dagegen. Ich hab auch nichts gegen die Vorgaben des Bundes, nur sind sie meistens so, dass sie zu keinen Einsparungen führen.

Wenn der Bund vorgibt, wie groß der Raum für die Erstversorgung sein muss, ist das sinnlos. Wenn der Bund aber sagt, wir machen eine Einkaufsgemeinschaft für sämtliche Psychopharmaka für ganz Österreich, sind wir die ersten, die mitmachen, wenn wir sie billiger bekommen.

derStandard.at: Diese Bündelung von Strukturen ist ja das, was auch Gesundheitsminister Stöger bei der Spitalsreform Anfang November vorgeschlagen hat. Er will ein bundesweit einheitliches Krankenanstaltengesetz.

Sobotka: Dieses bundeseinheitliche Gesetz gibt es ja. Die Leute schauen sich nicht einmal ihr eigenes Gesetz an. Es gibt mir vor, dass ich in einer Region mit 50.000 bis 90.000 Einwohnern eine Grundversorgung aufrecht erhalten muss. Und zwar mit einem kompletten Spital. Das ist ja mein Problem! Wenn ich dieses Bundesgesetz nicht hätte, könnte ich mich noch viel schlanker aufstellen, könnte eine chirurgische Abteilung über zwei oder drei Häuser ziehen. Kann ich aber nicht. Denn der Bundesgesetzgeber gibt zu detaillierte Vorgaben. Da werden Vorschreibungen von hygienischen Standards gemacht, die Menschen am grünen Tisch entworfen haben und mit der Realität schwer in Einklang zu bringen sind.

derStandard.at: Ihre Befürchtung ist, dass bei der Reform, die Stöger nun plant, noch mehr in die Richtung geht?

Sobotka: Wenn die Reform vernünftig ist, bin ich der letzte, der sich beschwert. Wenn sie vernünftig ist, übernehmen wir sie 1:1. Nur hab ich bislang leider Gottes wenig gehört, das in eine vernünftige Richtung gegangen ist.

derStandard.at: Sie sind also nicht grundsätzlich dagegen, Kompetenzen an den Bund abzugeben?

Sobotka: Da geht es nie um Kompetenzen. Von mir aus kann der Bund alle Kompetenzen haben. Er kann auch alle Spitäler haben, wenn er glaubt, er macht es billiger. Ich mache meinen Job seit 30 Jahren. Alle zwei Jahre kommt ein neuer Minister und erklärt mir die Welt.

derStandard.at: Was ist denn nun Ihr Vorschlag, wie man die Reformen im Gesundheitsbereich angeht?

Sobotka: Das ist die größte Schwierigkeit. Man wird einiges verbessern können, aber zu einem großen Paukenschlag wird es nicht kommen.

Sinnvoll wäre eine Versicherung für ganz Österreich mit neun Ländergruppen. Und es muss eine Finanzierung aus einer Hand geben. Es ist vollkommen verrückt, wenn ich den niedergelassenen Bereich von den Kassen und der Ärztekammer und den Krankenhaus-Bereich von Ländern, Gemeinden und Bund finanzieren lasse. Das kann nicht funktionieren, das weiß man in ganz Europa.

derStandard.at: Sie sind Landeshauptmann-Stellvertreter in Niederösterreich. In zwei Jahren stehen wieder Wahlen an. Wird Erwin Pröll wieder der Spitzenkandidat der ÖVP sein?

Sobotka: Wer sonst? (lacht)

derStandard.at: Eine letzte Frage: Sie sind Landesobmann des ÖAAB in Niederösterreich. Der ehemalige ÖAAB-Bundesobmann und Beamten-Gewerkschafter Fritz Neugebauer wurde heftig kritisiert, weil er gegen das Budget der Bundesregierung klagen will. Können Sie seine Vorgehensweise nachvollziehen?

Sobotka: Ich richte einem Funktionär nie etwas über die Medien aus, ich schreibe ihm das persönlich.

derStandard.at: Und das haben Sie schon getan?

Sobotka: Ich habe ihm ein E-Mail geschrieben und Sie können davon ausgehen, dass ich mir kein Blatt vor den Mund genommen habe. (Rosa Winkler-Hermaden/derStandard.at, 10.1.2011)