Biedermann ist seit 1999 beim ORF.

Foto: ORF/Ramstorfer

Wien - Martin Biedermann (38), seit Anfang Jänner neuer Leiter des ORF-Marketings, wird sich auch um den Posten des Kommunikationschefs des öffentlich-rechtlichen Senders bewerben. Dies kündigte der engste Mitarbeiter von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz an. "Ich gehe davon aus, dass das zeitnah ausgeschrieben wird. Ich werde mich aus heutiger Sicht bewerben. Ich würde diesen Job gerne machen und glaube, dass es wichtig ist, dass Personalunion zwischen der Marketing-Tochter und der ORF-Abteilung Marketing und Kommunikation gegeben ist."

Seit wenigen Tagen leitet Biedermann die neue Marketing Service GmbH des ORF, der etwa 160 Mitarbeiter angehören, und in deren Ressort nunmehr die Marketing-Teams von Ö3, FM4 und Ö1, der ORF-Shop, das RadioKulturhaus, der ORF-Kundendienst, ORF-Digital, das klassische Fernseh- und Programm-Marketing, die Führung der ORF-Dachmarke, das Ticket-Service, der Führungsbetrieb (ORF Backstage) und die ORF-Nachlese fallen. Notwendig wurde die neue ORF-Tochter aufgrund der gesetzlichen Vorgabe, dass öffentlich-rechtliche und kommerzielle Aktivitäten des Senders künftig klar getrennt sein müssen. Der Rechnungshof hatte darüber hinaus die Bündelung der Marketingaktivitäten empfohlen.

Keine zentrale Marketingstrategie

"Die Marketing Service GmbH ist öffentlich-rechtlich, im Gegensatz zur kommerziellen ORF-Enterprise, in der bisher das Marketing operativ angesiedelt war. Damit wird dieses strukturelle Problem bereinigt", so Biedermann. Ziel sei es nun, gewisse Bereiche zu poolen und zu bündeln, um mehr für den ORF herauszuholen, "etwa Mediaeinkauf - zum Beispiel Außenwerbung und Print - oder Werbemittel". Darüberhinaus sei eine noch besser koordinierte Planung und Steuerung unternehmensweiter Kampagnen und Schwerpunkte anzustreben. Es sei aber keinesfalls eine zentrale Steuerung der verschiedenen dezentralen Marketingaktivitäten geplant, sagte Biedermann. "Das ist nicht mein Zugang. Es gibt keine Zentralisierung bei der inhaltlichen Ausrichtung und Markenführung der einzelnen Sendermarken, etwa im Radio."

Damit das zuletzt angeschlagene Image des ORF wieder besser wird, müssten laut Biedermann Management und alle Mitarbeiter an einem Strang ziehen. "'Das Produkt ist die Botschaft' lautet die Devise. Ziel muss es sein, dass wir unsere Programme in jeder Art der Kommunikation in den Vordergrund stellen und weniger sonstige Interna, von denen es zuletzt einige gab. Da ist das gesamte Team gefordert, insbesondere jene Kollegen, die im 'Nebenberuf' und ohne Auftrag Öffentlichkeitsarbeit betreiben", so Biedermann.

Quasi Generalsekretär

Ob er seine Rolle ähnlich wie Ex-Marketing- und Kommunikationschef Pius Strobl anlegen werde, der in den Augen vieler quasi wie ein ORF-Generalsekretär agiert hatte? Biedermann: "Einen Generalsekretär gibt es seit Gerhard Weis nicht mehr. Generalsekretäre hatten auch unterschiedliche Aufgaben, von Personalagenden bis Strategieentwicklung und Kommunikation. Was man bei Pius Strobl wohl gemeint hat, war, dass er sich auch um Dinge gekümmert hat, die nicht unbedingt in die engere Kompetenz von Marketing und Kommunikation fallen, die ihm aber im Auftrag des Generaldirektors und in Projektform mehr oder weniger formell übertragen wurden." Solche Projekte werde es wahrscheinlich auch in Zukunft geben. "Also gehe ich davon aus, dass mich der Generaldirektor zukünftig auch mit Dingen beauftragen wird, die nicht unmittelbar in den Bereich Kommunikation fallen." Als Beispiel nennt Biedermann etwa die Strategiegruppe zu ORF eins.

Grundsätzlich will es der vorerst noch interimistische ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann "integrativ" anlegen, "insbesondere nach innen". Er werde sich bemühen, mit allen eine professionelle Gesprächsbasis aufrecht zu erhalten. "Das funktioniert im Moment auch gut, wobei klar ist, wenn es hart auf hart geht, ist der Kommunikationschef ein Mitarbeiter des Alleingeschäftsführers und Generaldirektors, dem auch die 100-prozentige Loyalität gilt. Die Kommunikation ressortiert wie in fast allen großen Unternehmen zum CEO, und dem ist man letztlich auch verpflichtet."

Konfliktebenen

Also weniger konfrontativ als sein Vorgänger Pius Strobl, aber wenn nötig auch "böser Bulle"? Biedermann: "So könnte man verkürzend sagen, wobei ich nicht unterschreiben würde, dass Pius Strobl per se konfrontativ war. Es haben sich zuletzt verschiedene Konfliktebenen aufgetan, bei denen ich nicht beurteilen möchte, wer dafür verantwortlich war. Ziel sollte sein, möglichst mit allen gut arbeiten zu können, sonst kann man diesen Job nicht machen. Das war bei Strobl letztlich der Fall. Er ist in eine Situation geraten, in der er seinen Job einfach nicht mehr erfüllen konnte."

Ob das ORF-Marketing auf Pius Strobls Dienste - der frühere ORF-Kommunikationschef will demnächst mit einer eigenen Beratungsfirma im Bereich Kommunikation und Marketing neu anfangen - künftig zurückgreifen wird, lässt Biedermann offen. "Wenn Strobl sich in diesem Bereich selbstständig macht, würde ich es weder ausschließen, noch eine Beauftragungs-Garantie abgeben. Das hängt davon ab, was für Projekte sich auftun. Grundsätzlich hat er aufgrund seines bisherigen Tuns eine gute Innensicht was den ORF und dessen Agenda betrifft."

Media-Strategie

Keine grundsätzliche Änderung plant Biedermann bei der Ausgestaltung der Media-Strategie des ORF. Das Werbevolumen, der Werbedruck des öffentlich-rechtlichen Senders beträgt nach Branchenschätzungen an die 14 Millionen Euro im Jahr. Bestätigen will der ORF-Marketingchef diese Zahl nicht. Der Großteil davon wird über Gegengeschäfte, Medien-Werbespots in den ORF-Programmen, abgewickelt. Wie bei anderen staatsnahen Betrieben soll es aus der SPÖ in der Vergangenheit Begehrlichkeiten gegeben haben, bei der Verteilung der ORF-Werbemittel mitzureden. Zeitungsverleger monierten wiederholt, dass Unternehmen im Staatseinfluss ihre Werbegelder vor allem in Richtung "Kronen Zeitung", "Heute" und "Österreich" steuern würden. Im ORF erfolgte die Zuteilung bisher grosso modo nach den Reichweiten der Medien. Das soll laut Biedermann auch so bleiben. "Wir arbeiten mit allen großen Printmedien zusammen, und unser Werbeeinsatz kommt ziemlich nahe den Reichweiten-Relationen. Begehrlichkeiten, bestimmte Medien zu bevorzugen, sind mir nicht bekannt und ich wurde auch noch nicht damit konfrontiert. Wir werden das auch in Zukunft rein nach unseren Kommunikationsbedürfnissen und den Medialeistungen und Zielgruppen unserer Medienpartner ausrichten und nicht nach irgendwelchen Wünschen, auch nicht nach Parteiwünschen", sagte Biedermann.

Wrabetz soll bleiben

Klare Präferenzen zeigt der neue ORF-Marketing-Chef bei der Frage, wer nächstes Jahr zum neuen ORF-Generaldirektor gewählt werden wird. "Ich gehe davon aus und ich wünsche mir auch für den ORF, dass es wieder Alexander Wrabetz sein wird." Wann Wrabetz sein Wiederantreten offiziell macht, lässt auch dessen Marketingchef offen. "Das ist eine gute Frage. Er wird inzwischen bei jeder Gelegenheit gefragt. Ich gehe davon aus, dass er sich zu gegebener Zeit, jedenfalls rechtzeitig vor Ablauf der Bewerbungsfrist dazu äußern wird", so Biedermann, der vom ORF-Stiftungsrat einstimmig in seine Funktion bestellt wurde. "Dieser Vertrauensvorschuss von allen Seiten freut mich. Ich bin dadurch nicht einer bestimmten Gruppe verpflichtet, und es erleichtert meine Arbeit auch, dass ich bis jetzt noch nicht punziert wurde." Wo er politisch steht? "Ich habe eine persönliche politische Einstellung, die ich strikt vom Beruflichen trenne."

Die ORF-Karriere des 38-jährigen Biedermann (Geburtsdatum 4. April 1972) ist eng mit dem Namen Alexander Wrabetz verbunden. Im Februar 1999 holte der damalige Kaufmännische Direktor Biedermann auf eine Initiativbewerbung, die auf Wrabetz' Schreibtisch gelandet war, in den Sender. Biedermann, der davor das BWL-Studium absolvierte und während des Studiums bereits als freier Mitarbeiter in der ORF-Sendeleitung tätig war, ehe er die "News"-Lehrredaktion machte, ein paar Monate im Wirtschaftsressort des Magazins und danach ein halbes Jahr auf Projektbasis bei ProSieben in München tätig war, arbeitete fortan im ORF-Programmmarketing und war dort unter anderem für das Marketing von ORF 1 zuständig. 2003 ging Biedermann dann zu ATV, wo er zum Start des Privatsenders anheuerte und dort das Marketing aufbaute sowie leitete. 2008 holte Wrabetz, der inzwischen zum ORF-General aufgestiegen war, Biedermann in den ORF zurück. Er wurde Wrabetz' Büroleiter. Nun machte ihn der ORF-Chef zum Leiter der neuen Marketing-Tochter und zum - vorerst interimistischen - Kommunikationschef. (APA)