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Seit Jahrzehnten ein Klassiker: Zeitunglesen funktioniert im Toten Meer noch immer ganz ohne Schwimmflügerl.

Foto: AP/EMILIO MORENATTI

Die Straße schlängelt sich in Serpentinen auf die schroffen Felsen hinauf. Kaum ein Baum, kaum ein Strauch, der den Weg säumt und das Grau und Braun des Gebirges durchbricht, das sich rund um Madaba östlich des Jordans vom Toten Meer erhebt. Obwohl es Dezember und noch früh am Vormittag ist, spielt die Sonne ihre Stärke am wolkenlosen Himmel bereits gnadenlos aus.

Kaum auf gut tausend Meter oben – der Blick auf das Heilige Land rund um das Tote Meer ist fantastisch, solange sich die Dunstwolke noch nicht formiert hat -, geht es auch schon wieder steil bergab, hinein in ein schmales Tal, dessen Enge nur wenige Sonnenstunden zulässt.

Heißes Wasser aus den Felsen des Wüstenlandes

Dort, wo die Serpentinen zu Ende sind, Wasserbäche von den Felsen stürzen und nichts mehr geht, fängt es – gemessen am Wohlfühlfaktor – erst richtig an. Denn in Ma'in schießt aus den Felsen des Wüstenlandes nicht kaltes Süßwasser, sondern heißes.

Und dieses Schwefelwasser ist dermaßen reich an Mineralien von Brom über Calcium, Kalium, Natrium bis Magnesium, dass sogar im Toten Meer, in das die heißen Quellen münden, noch mehr als genug drin ist. Dass diese heißen Quellen für ein Thermalbad mit Spa und allem, was dazugehört, genützt werden, ist nur logisch.

Die Abgeschiedenheit in der Felswüste macht die von Evason betriebene, auf Nachhaltigkeit und den sechsten Sinn angelegte Anlage zu einer echten Oase der Stille. Straßenlärm und Dauerberieselung mit Konservenmusik fürchtet man hier vergeblich, obwohl der wüstensandfarbene Betonklotz mit seinen vielen Zimmern und dem unbestechlichen Charme der 1970er-Jahre selbige befürchten ließen.

Einmal drinnen, weicht die Wuchtigkeit rasch einer angenehmen Gemütlichkeit in Brauntönen, in der es dem Erholungssuchendem an nichts fehlt. Wie es sich gehört, stammen selbst die Küchenkräuter aus der eigenen Grünanlage mit integriertem Kräutergarten. Abschalten, Ausdampfen, Relaxen lautet die Devise in Ma'in.

Strandhotels – aufgefädelt wie eine Perlenkette

Deutlich anderen Charakter haben die am Fuße des Mujib-Naturreservats wie eine Perlenkette aufgefädelten Strandhotels an der Küste des Toten Meeres. Sie versuchen einander in Sachen Luxus und Schnickschnack zu übertrumpfen. Was auch gelingt. Das hat insofern sein Gutes, als so mittlerweile für jeden Geschmack und jede Geldbörse etwas dabei ist.

Wellness heißt die Devise, medizinische Badeanstalten, in denen man Schuppenflechte und Co zu Leibe rückt, sind out.
Dem Mövenpick-Resort, einst das erste Haus am Platz, gelingt es mit seiner von Bächen, Teichen und Springbrunnen durchzogenen Pflanzen- und Blütenpracht noch immer hervorragend, in der orientalischen Steinwüste wasserreiche Kunstwelten mit üppiger Vegetation vorzugaukeln. Wobei die kleinteiligen Bungalow-artigen Appartements noch überschaubar sind und sogar einen Hauch von Individualität erhalten.

Der Spiegel direkt am nobel abgegrenzten Privatstrand des Kempinski Hotels Ishtar hingegen steht für den pompös auf unzähligen Terrassen aufgetürmten Luxus. In ihm bewundern sich die nahtlos mit dem von Gesundheitsaposteln – ob seiner heilenden Wirkung für kranke oder wohlstandsverwahrloste Haut – gerühmten grau-schwarzen Schlamm bekleckerten Badegäste in ihrer vollen Pracht. Die Szene, die selbstredend mit der Kamera festgehalten wird, steht für jenes Niveau an Annehmlichkeiten, die FDP-Chef Guido Westerwelle wohl als „spätrömische Dekadenz" klassifizieren würde.

Verschwenderischer Wasserverbrauch

Wobei sich spätrömisch im Haschemitischen Königreich Jordanien mit sprichwörtlichem Luxus duelliert, mit dem gewöhnlich Scheichs aus den Emiraten auftrumpfen. Was im Ergebnis dasselbe ist. Denn dekadent oder – je nach Betrachtungsweise – verschwenderisch mutet in einem unter akuter Wasserarmut leidenden Wüstenland wie Jordanien allein der Umstand an, dass im Kempinski Ishtar mehrmals täglich der Fußboden rund um Pools und Sonnenliegen mit dem Schlauch abgespritzt wird.

Wohl wird das Wasser über die angeschlossene Aufbereitungsanlage mit Sicherheit so ökonomisch wie möglich eingesetzt, die Großzügigkeit verblüfft aus dem Wasserparadies Österreich kommende Besucher aber dennoch. Ganz zu schweigen vom Wellness-Tempel hoch oben, der Thai-Massage und Hamam ebenso im Portfolio hat wie einen Infinity-Pool, in dem es sich dem Untergang der Sonne hinter dem jenseits des Toten Meeres liegenden Israel entgegen plantschen lässt, bis zwischen den Zehen Schwimmhäute gewachsen sind.

Gigantisches Schauspiel

Die grellbunten Gummipantoffeln, die uns der Strand-Concierge auf dem Weg in das salzige Binnenmeer 410 Meter unter dem Meeresspiegel aufdrängt, sind uns dann aber doch zu viel des Guten. Es stimmt, die Verletzungsgefahr durch spitze Steine und Salzkrusten ist evident und kann das Badevergnügen nachhaltig beeinträchtigen, aber wir wollten der neuen Umgebung schließlich auf den Grund gehen. Was freilich insofern erschwert wird, als im Kempinski sogar der Meeresboden mit Sandsäcken gepolstert ist. Komfort geht über alles.

Als mir das ölige Mineralstoffkonzentrat (der Salzgehalt des Toten Meeres beträgt dreißig Prozent) ins Auge spritzt, weiß ich die spätrömische Dekadenz aber zu schätzen. Wie von Geisterhand geführt eilen zwei Badewascheln herbei und gießen Trinkwasser über den brennenden Augapfel. Im Heiligen Land bleibt wahrlich kein Auge trocken. Profis haben deshalb Schwimmbrillen dabei.

Salzberge und -skulpturen

Nicht annähernd das Wasser reichen können die zahlreichen in Stein gehauenen Wellnesswelten freilich dem gigantischen Naturschauspiel des Toten Meeres. Hier schwebt der menschliche Körper nicht nur in der Waagerechten, weil er träge und fett ist, sondern dank des vielen Salzes.

In unberührten Zonen von Salzbergen und -skulpturen wähnt man sich in der Arktis. Wäre es nicht bacherlwarm, es müssten Pinguine oder Eisbären um die Ecke springen.

Für Sonnenanbeter bringt der absolute Tiefpunkt unter dem Meeresspiegel übrigens einen zusätzlichen Wohlfühlfaktor: UVB-Strahlen dringen in die Untiefe nur deutlich vermindert durch, was die Gefahr von Hautschädigungen reduziert. (Luise Ungerboeck/DER STANDARD/Printausgabe/08.01.2011)