Stefan Lechner: „Ich will nicht bis zur Pension warten, um das zu tun, was mir Freude bereitet."

Foto: Lechner

Stefan Lechner zog ein Jahr lang in einem alten Bus von New York bis nach Panama. Sein Ziel: Menschen und Musik zu dokumentieren. Über den Weg zur eigenen Filmproduktion, das Zittern um neue Projekte und finanzielle Grenzen erzählte er Verena Kainrath.

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"Mir wurde das Reisen in die Wiege gelegt. Aufgewachsen bin ich halb in Frankreich, halb in Österreich. In Wien habe ich Handelswissenschaften studiert, den Zivildienst in Costa Rica gemacht.

Ich habe dort eineinhalb Jahre an einem Sozialprojekt für Kleinbauern gearbeitet, und es ist mir klar geworden, dass ich in diesem Bereich arbeiten will - Betriebswirtschaft mit Entwicklungszusammenarbeit verbinden. Ich war vier Jahre lang angestellt, bei Fair Trade Österreich. Da war jedoch immer auch der Wunsch nach eigenen Projekten, und mit dem Film El Rey (Der König) stelle ich das nun auf die Beine.

Ich will damit dieses Phänomen einfangen, dass das Leben und die Musik in Zentralamerika und Mexiko verschmelzen. Ich zog mit einem Freund los: Wir haben uns einen alten amerikanischen Schulbus gekauft, ihn zu einem Aufnahmestudio umgebaut und sind von New York bis nach Panama, insgesamt ein Jahr lang. Wir haben selbst Musik gemacht, Bauern, Viehzüchter, Zapatisten kennengelernt, die Musiker sind, und das alles dokumentiert. Seither weiß ich, dass ich Filme machen kann und will. Es war viel "learning by doing": Ich habe bei anderen Produktionen mitgearbeitet, erste eigene Auftragsfilme über Entwicklungsarbeit gemacht, bin dafür in Afrika und Lateinamerika gereist.

Es ist meistens eine One-Man-Show. Ich mache Regie, Kamera und Ton, schneide oft noch vor Ort, was wenig Zeit zum Durchatmen lässt. Ich bin Filmschaffender und Produzent in einem, kümmere mich zudem um die Finanzierung und Vermarktung, es ist eine Gratwanderung. Seit Jahresanfang habe ich nun mit Partnern eine eigene Firma, die Filmproduktion Major Tune KG. Sie sorgt sich verstärkt um die Online-Vermarktung und um lateinamerikanische Märkte.

Ich arbeite projektbezogen, daher variiert mein Einkommen stark. Da zittert man immer wieder, ob aus Projekten was wird. Nur von Dokumentarfilmen können wenige leben. Ich muss daher flexibel sein, andere Standbeine aufbauen. Ich habe Kurse gehalten, Marktanalysen gemacht, gedolmetscht, da ich fünf Sprachen spreche. Ich musste den Gürtel immer wieder enger schnallen. Aber irgendwas lässt einen weitermachen. Man brennt für etwas, und ich brenne für meinen Film.

Ich habe Zeit investiert, die ich nie bezahlt bekommen werde, setze aber auch Grenzen. Ich würde etwa nie so weit gehen wie andere Filmemacher und Hypotheken auf ein Haus aufnehmen. Das mit der Filmförderung ist so eine Sache. Man stellt Anträge, wartet, es gibt gutes Feedback. Bei mir hat sich das über zwei Jahre gezogen, letztlich bekam ich kein Geld. Ich habe daraufhin private Investoren gesucht - es ist geglückt. Mein Lebensmotto ist: Ich will nicht bis zur Pension warten, um das zu tun, was mir Freude bereitet, und der Weg dorthin führt oft in die Selbstständigkeit." (DER STANDARD, Printausgabe, 10.1.2011)