Von der Kriminaldirektion auf die Anklagebank: Am Montag begann der Prozess gegen einen hohen Wiener Polizeibeamten, der die serbische Rotlichtszene geschützt haben soll.

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Die Anklage legt ihm auch Verfehlungen nach dem Mord im Café Cappuccino zur Last.

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Wien - "Der Franz war ein wahrer Freund, ein ehrlicher Mann", steht im Protokoll einer Telefonüberwachung. "Der Franz", von dem hier als "Chef vom Sicherheitsbüro" die Rede ist, hatte allerdings nie diese Position inne, sondern war Gruppenleiter in der Kriminaldirektion 1 (KD1). Und der dies sagte - war Mitglied der serbischen Unterwelt- und Rotlichtszene in Wien.

"Mir geht es nicht darum, einen erfolgreichen Polizisten, der über ein paar Formalitäten gestolpert ist, vorzuführen", sagt am Montag der Korneuburger Staatsanwalt Wolfgang Wohlmuth im Wiener Straflandesgericht. "Mir geht es darum, einem Kriminellen das Handwerk zu legen."

Als Wohlmuth dies sagt, hat er schon knapp drei Stunden gesprochen und bis ins kleinste Detail erklärt, was er dem angeklagten Franz P. alles vorwirft: Missbrauch der Amtsgewalt in neun Fällen, Nötigung, mehrfache Verletzung des Amtsgeheimnisses, Betrug und Anstiftung zur falschen Zeugenaussage.

Aufgeflogen durch einen Zufall

"Das Blaulicht im Rotlicht", fasst der Staatsanwalt seine Anklage zusammen: "Mit der Rotlichtszene verhabert, engste Kontakte mit Hochkriminellen."

Aufgeflogen war die Affäre durch einen Zufall - als im Rahmen einer Telefonüberwachung Straftäter über den Chefinspektor als einen der ihren sprachen. Das damalige Büro für Interne Angelegenheiten (BIA) nahm die Ermittlungen auf - und nach und nach kam ein Detail nach dem anderen ans Tageslicht.

So soll Franz P. laut Anklage seine schützende Hand über den am Gürtel aktiven "Nokia-Club" gehalten haben: Dieser "Club" soll laut Anklage gegen Schutzgeld Probleme von Nachtlokal-Betreibern ausgeräumt haben. Mit Schlägertrupps - oder mithilfe von Polizei-Kontakten.

Im Zentrum der Nokia-Connection stand ein Mann mit dem Spitznamen "Repic" (Serbisch für "Der Zopf", denn ein kleines Zöpfchen war alles, was sein Haupt zierte). Ein Handlanger der Rotlichtgrößen im Hintergrund. Repic führte Franz P. seit 2003 als "Zund" (Informant). Und als solcher soll Franz P. das Lokal "No Name" vor Polizeikontrollen geschützt haben - ein Animierlokal, in dem vorwiegend illegale Animierdamen auch ohne "Deckel" (Registrierkarte) arbeiteten.

"No Name" auf "Sperrliste"

Wenn sich Polizeikontrollen häuften, sei Franz P. in die jeweiligen Wachzimmer marschiert und habe erklärt, dass dort kriminalpolizeiliche Amtshandlungen laufen würden. Alle geplanten Einsätze gegen das "No Name" sollten der KD1 gemeldet werden, forderte Franz P.

Schließlich setzte der Angeklagte das "No Name" auf die inzwischen legendäre "Sperrliste": Eine polizeiinterne Liste von Rotlichtlokalen, die wegen verdeckter Ermittlungen vor sonstigen Zugriffen ausgeklammert werden sollten. Nur: In diesem Zeitraum konnte keine Ermittlungstätigkeit im Umfeld des Lokals festgestellt werden, betont der Ankläger.

Franz P. soll überdies beim Aufsetzen von Pachtverträgen für Rotlichtlokale mitgeholfen haben - einmal soll er sogar die Schwester von Repic vorführen haben lassen, die im Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände einsaß - nur weil sie den Übernahmevertrag für ein Café unterschreiben sollte.

Illegale Abfragen für Wirtschaftskriminellen

Ein weiterer Anklagekreis betrifft die Kontakte des Chefinspektors zu einem serbischen Wirtschaftskriminellen aus der Baubranche - mit dem er mehrfach während der Dienstzeit ein Kasino an der tschechischen Grenze besucht haben soll. Für ihn soll Franz P. illegale Abfragen im Melderegister und in Polizei-Datenbanken getätigt haben.

Und nicht zuletzt wirft Staatsanwalt Wohlmuth dem Polizeibeamten vor, die Ermittlungen nach der Schießerei im Ottakringer Café Cappuccino in eine falsche Richtung geleitet zu haben. Unter anderem soll Franz P. die Aussage einer Zeugin regelrecht eingeübt haben, mit der ein kleiner Hütchenspieler als Hauptverdächtiger belastet werden sollte.

Verteidiger Andreas Duensing wies sämtliche Vorwürfe zurück. Sein Mandant sei das Opfer einer Intrige. Das Verfahren sei nachweislich von Personen in Gang gebracht worden, die dem Chefinspektor und seinem Umfeld schaden zufügen wollten.

Für den Prozess unter dem Vorsitz der Richterin Irene Mann sind vorerst 14 Verhandlungstage anberaumt. Das Urteil wird für den 11. Februar erwartet. (Roman David-Reihsl, DER STANDARD-Printausgabe, 11.1.2011)