Manfred Häfele: "Erst fällt man in ein Loch. Ich hatte Angst, ob ich alles schaffe."

Foto: Häfele

Manfred Häfele wagte nach drei Jahrzehnten bei Bösendorfer einen Neubeginn in der Klavierbranche. Verena Kainrath fragte nach.

"Ich bin seit Sommer freier Unternehmer. Ich arbeite selbstständig als Klavierstimmer und Konzerttechniker für Private und Firmen. Auf einmal gibt es kein Netz mehr und keine Absicherung bei Krankenstand. Ich hatte Angst, ob ich alles schaffe. Werde ich ausreichend ausgelastet sein, existieren können, was wird mit meiner Familie, meinem kleinen Kind, es gibt keine Garantie mehr, nur das Können, Wünschen und Hoffen.

Manchmal erstaunt es mich, dass ich den Schritt gewagt habe, nach so langer Zeit. Ich war 33 Jahre lang bei Bösendorfer. Mit feurigen Wünschen habe ich dort als 19-Jähriger begonnen. Für einen Pianisten hätte es bei mir trotz aller Hingabe zur Musik nicht gereicht, aber ideales Musizieren, technische Machbarkeit, das alles hat mich gereizt. In den 70-er Jahren gab es zudem ja noch weltweit einen großen Boom bei der industriellen Fertigung von Klavieren.

Ich wurde zum Klaviertechniker ausgebildet, kam zur Konzertstimmung, bin durch Europa gereist, habe die Salzburger Festspiele betreut. Später wurde ich Verkaufsleiter für Österreich, leitete für einige Jahre auch die Serviceabteilung. Doch der Markt, die Arbeitswelt haben sich verändert. Gewisse Anforderungen waren so nicht mehr in meinem inneren Verständnis verankert. Auf einmal redet man von anderen Dingen, als jene, die gefordert werden. Ich habe mich bodenlos gefühlt – worauf ich die Konsequenzen zog und kündigte. Ohne sicher zu wissen, wie es weitergeht. Ich wusste nur, ich will zum Klaviermachen zurückfinden.

Erst fällt man in ein Loch. Wer sich verändern muss oder will, wird von unserer Gesellschaft jedoch für eine gewisse Zeit aufgefangen. Ich kam beim AMS in ein Firmengründungsprogramm und habe dort die wichtigsten Handgriffe für den Neubeginn gelernt.

Dass ich in der Branche einen Namen habe und weiterempfohlen wurde, war natürlich ein Vorteil. Anfangs neigt man aber prompt zur Überreaktion, dazu, zu viele Aufträge anzunehmen, jeden, den man nur irgendwo erhält, in der Sorge, dass es schon nächste Woche anders aussehen könnte. Ich musste diesen Balanceakt erst erlernen.

Ich arbeite jetzt handwerklich mehr, weil es Gott sei Dank genug Aufträge gibt. Mein Tagesablauf ist kein Korsett mehr, er hängt von meinen Kunden ab, zu denen auch mein alter Arbeitgeber zählt. Ich kann mir die Zeit gut einteilen, Freiräume schaffen, und solange mein Gehör gesund ist, mache ich weiter.

Ich habe den Schritt nie bereut, ich spüre ein Gefühl der Freiheit. Vielleicht sollte man öfter was in seinem Leben ändern und nicht wie ich drei Jahrzehnte warten. Ich erkannte mit 53, das ich neue Wege gehen kann, dass man sich nicht vor schrecklichen Fragen der Finanzen und der Existenz fürchten muss, sofern man nicht blauäugig ist. Man kann keine Familie gründen, kein Kind bekommen, denkt man über jedes Risiko nach. Irgendwann muss man handeln." (DER STANDARD, Printausgabe, 11.1.2011)