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Magnetresonanzaufnahme eines Kniegelenks: Wie zentral die Rolle des Meniskus (grüner Pfeil) bei Arthrosen ist, wollen Salzburger Forscher in einem Langzeitprojekt zeigen.

Foto: Archiv

Eine der häufigsten Ursachen für den Besuch einer allgemeinmedizinischen Praxis ist Arthrose, also eine landläufig als Gelenkverschleiß bezeichnete degenerative Erkrankung der Gelenke - oft verbunden mit erheblichen Schmerzen und langwierigen Therapien. Im Unterschied zur rheumatoiden Arthritis, der Gelenksentzündung, tritt die Arthrose vor allem im fortgeschrittenen Alter und nach Verletzungen auf.

Grundsätzlich können alle Gelenke von arthrotischen Veränderungen betroffen sein, am häufigsten ist es jedoch das Kniegelenk. Risikofaktoren sind hier Verletzungen wie Kreuzbandriss, Frakturen oder eine Meniskusläsion. Auch Übergewicht oder X- und O-Beine können zu einer Kniegelenksarthrose führen.

Meniskus unterschätzt

Wie man heute weiß, spielt der Meniskus, ein halbmondförmiger Knorpel im Kniegelenk, eine zentrale Rolle bei dieser Erkrankung. So kann etwa ein Meniskusriss zu Arthrose führen und umgekehrt. Aufgabe des Meniskus ist es, die Kontaktfläche zwischen Schienbeinplateau und Oberschenkelknochen zu vergrößern und so den Druck im Gelenk in Grenzen zu halten. Diese Funktion wurde vor allem in Zusammenhang mit der Kniegelenksarthrose lange unterschätzt.

"Noch vor 20 bis 30 Jahren wurde der Meniskus gelegentlich als nutzloser Appendix gesehen" , erklärt Felix Eckstein vom Institut für Anatomie und muskuloskelettale Forschung an der Medizinischen Privatuniversität Paracelsus (PMU) in Salzburg. "Mittlerweile ist man sich bewusst, dass Patienten nach einer Entfernung des Meniskus sehr wahrscheinlich eine Kniegelenksarthrose bekommen."

Deshalb werden Meniskusverletzungen heute differenzierter behandelt, also genäht bzw. nur Teile des Meniskus entfernt. Da krankhafte Veränderungen des Meniskus eher langsam vor sich gehen und visuell nicht komplett erfasst werden können, setzt man zur Diagnose heute auch quantitative Bildanalyseverfahren ein.

Knorpelverlust

Vor allem mittels Magnetresonanztomografie (MRT) kann der Knorpelverlust und die Stellung des Meniskus bei Arthrose sehr genau in den verschiedenen Regionen des Gelenks bestimmt werden. Zurzeit wird MRT allerdings nur dann eingesetzt, wenn bei Arthrose ein konkreter Verdacht auf eine behandlungsbedürftige Beteiligung des Meniskus besteht. Ansonsten wird das Kniegelenk meist nur mittels Röntgen untersucht.

Auch Felix Eckstein und sein Team nutzen in ihrem Forschungsprojekt die Möglichkeiten der Magnetresonanztomografie. Ihr Ziel ist es, mit dieser Methode Form und Lage des Meniskus exakt zu vermessen: "Unsere Messungen gehen allerdings weit über den gewohnten Einsatz der Magnetresonanztomografie bei Meniskusproblemen hinaus" , sagt der Wissenschafter. "Wir messen die Lage des Meniskus in 15 bis 20 Schichten des Kniegelenks. Daraus lassen sich äußerst genaue Daten errechnen, die schließlich eine dreidimensionale Rekonstruktion erlauben." Auf diese Weise können auch sehr subtile Veränderungen der Lage erfasst werden.

Prognosen per 3-D

Aufgrund des großen Aufwands und der relativ hohen Kosten ist diese Methode zwar nicht für den täglichen Einsatz in der Diagnose gedacht, für größere medizinische Studien jedoch sehr gewinnbringend. Man kann mit den so gemessenen Werten beispielsweise herausfinden, ob die Lage und die Größe des Meniskus damit zusammenhängen, dass ein Arthrosepatient Schmerzen hat bzw. symptomfrei ist. "Außerdem ermöglicht die quantitative 3-D-Methode auch Prognosen darüber, wie schnell die Arthrose voranschreitet oder ob der Patient überhaupt eine Arthrose bekommen wird" , erläutert Felix Eckstein.

Grundlage für das Salzburger Forschungsprojekt sind die MRT-, Röntgen- und sonstigen klinischen Daten von rund 5000 Amerikanern, die in einer groß angelegten Verlaufsstudie zur Kniegelenksarthrose von den National Institutes of Health in Maryland gesammelt werden.

"Im Rahmen dieser US-Studie werden an die 1400 Probanden mit röntgenologischer und klinischer Kniegelenksarthrose, dazu rund 3300 mit Risikofaktoren für deren Beginn sowie 122 gesunde Teilnehmer als Kontrollgruppe acht Jahre lang einer jährlichen Untersuchung unterzogen" , sagt Felix Eckstein. "Das bedeutet einen extrem hohen finanziellen und zeitlichen Aufwand. Man muss sich vorstellen, dass nur für diese eine Studie vier Magnetresonanztomografen Tag und Nacht laufen."

Öffentliche Datenbank

Die klinischen Daten sowie die Bilddaten werden in einer öffentlich zugänglichen Datenbank zur Verfügung gestellt und können von interessierten Forschern auf der ganzen Welt für eigene Fragestellungen genutzt werden. Durch die lange Dauer der Studie stehen den Wissenschaftern wertvolle Verlaufsdaten zur Verfügung: zum Beispiel, welche Meniskusveränderungen im Laufe der Zeit das Risiko erhöhen, eine Kniegelenksprothese zu benötigen.

Die mithilfe der US-Daten erarbeiteten Ergebnisse der Salzburger Studie sollen nicht nur die Erforschung von Risikofaktoren der Arthrose vorantreiben, sondern könnten auch einen Beitrag zur Entwicklung wirksamer Medikamente liefern. Immerhin wurde bislang noch kein einziges Arthrosemedikament zugelassen, das strukturell auf die Gewebe wirkt. Bis jetzt gibt es für die Patienten nur Schmerzmittel - aber die können den Knorpelverlust nicht aufhalten. (Doris Griesser/DER STANDARD, Printausgabe, 12.01.2011)