Funk & Soul Covers
Joaquim Paulo, Julius Wiedemann
TASCHEN Verlag, 432 Seiten, € 29.99
ISBN: 978-3-8365-1986-1

 

 

Foto: Taschen/
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"What´s Going On von Marvin Gaye bekommt eine völlig neue Bedeutung, wenn du es mit dem Cover in der Hand anhörst. Die kraftvolle Ausstrahlung des Fotos verleiht ihm eine andere Dimension. Die Musik, nach der ich forsche, die ich suche, kaufe und mir anhöre, ist herrlich. Sie gehört mir und das reicht.", so beschreibt der Sammler Joaquim Paulos seine Gefühle für Platten. Ein Teil dieser Welt gehört mit dem - Ende 2010 im Taschenverlag veröffentlichten - Werk "Funk & Soul Covers" nun auch uns.
Dem Konzept des erfolgreichen Vorgängerbandes "Jazz Covers" (Taschen, 2008) folgend und erneut in Zusammenarbeit mit dem Herausgeber Julius Wiedemann, präsentiert Joaquim Paulo nun seine ganz persönliche Auswahl schwarzer Musikgeschichte von Mitte der 60er bis Anfang der 80er Jahre, die neben Funk und Soul auch alle anderen Spielarten schwarzer Musik dieser Epoche, wie Jazz, Fusion, Disco, Boogie, Afrobeat und Latin versammelt. 

Joaquim Paulo, der verschiedenen große Plattenlabels berät und mehrere Radiosender in Portugal leitet, ist vor allem leidenschaftlicher Sammler von Schallplatten. Eine Sammlung, mit einem Umfang von über 25.000 LPs ist das Zwischenergebnis seiner Passion für das schwarze Vinyl und sein Ausgangspunkt für diese Zusamenstellung. 

Aus dieser Fülle nur etwas mehr als 500 Plattencovers zeigen zu können, beschreibt er als mühevollen Selektionsprozess bei dem er auf Seltenheit, die historische Bedeutung und die visuelle Wirkung der Plattenhüllen achtete.
"Die Form des Buches kristallisierte sich heraus, als ich die Cover durchging, die zusammen mit der Blaxploitation-Kultur und deren packender Musik erschienen waren. Wie brutal kraftvoll die Bildgebung dieser Platten war, wie sie die turbulenten 70er Jahre widerspiegelten!" verrät uns Paulo hierzu in der Einleitung. 

Von James Brown bis zu Lemuria aus Hawaii
Der Bogen spannt sich dabei von berühmten Interpreten wie James Brown, Marvin Gaye, Curtis Mayfield, Aretha Franklin oder Roy Ayers bis zu obskuren und raren Aufnahmen dieser Jahre wie beispielsweise dem Funk-Ensemble Lemuria aus Hawaii oder das heiß begehrte Sammlerstück "Spead Love" von Micheal Orr das 1976 auf dem privaten Label Sunstar in einer Auflage von nicht einmal 1000 Stück gepresst wurde.
Herausgekommen ist keine Enzyklopädie, obwohl die Covers alphabetisch nach Interpreten geordnet sind und die wesentlichen Eckpunkte wie Erscheinungsjahr, Label, Art Direktor, Fotografen, Illustratoren etc. aufgelistet sind, sondern ein essentielle Dokumentation von Musik, Design und Lebensgefühl dieser Epoche die aus mehreren Perspektiven interessant und fazinierend ist. 

Für Sammler ist das Buch ein guter Wissenscheck, vor allem aber eine Quelle der Sehnsucht, die nur mit viel Glück beim Durchstöbern unzähliger Plattenkisten auf Flohmärkten und in Hinterzimmern von Second-Hand-Läden oder durch gezielten finanziellen Mitteleinsatz bei Internetauktionen gestillt werden kann. Grob geschätzt müsste man für den Erwerb der wenigen hundert abgebildeten Orginalpressungen derzeit deutlich mehr als für einen neuen Mittelklassewagen hinblättern, denn nicht wenige der Kostbarkeiten wechseln nur mehr um mehrere hundert Euro den Besitzer.

Für alle anderen, jenseits der Welt der Vinylsammler, bietet das Buch jedenfalls zahlreiche spannende Hinweise den Spuren dieser Musik zu folgen und für sich mehr und mehr zu entdecken. Die Mehrheit der präsentierten Aufnahmenist in den letzten Jahren auf CD (wieder-)veröffentlicht worden, manche davon sogar auch als LP-Reissue und somit oft erstmalig einem breiten Publikum zugänglich. Eine erfreuliche Entwicklung wenn man die Klang- und Ästhetikdebatte beiseite lässt.
Zurück zum unmittelbaren Gegenstand des Buches, den Schallplattencovers: Das Cover ist mehr als eine Schutzhülle es ist in erster Linie ein Kommunikationsmedium, das die Vorstellung und das Image der Musiker, die Marketingkonzepte der Labels, den Zugang der Designer, Grafiker und Fotografen und nicht zuletzt auch immer einen bestimmten Zeitgeist transportiert. 

Viele in diesem Buch gezeigten Musikerportraits fangen das, durch die amerikanische Bürgerrechtsbewegung entstandene, neue Selbstbewusstsein der afro-amerikanischen Bevölkerung in Amerika ein. Die portraitierten Künstler strahlen eine vorher nicht dargestellte Selbstbestimmtheit und Coolness aus, die für Funk & Soulplatten spätestens ab den 70er typisch ist. Als legendäres Beispiel hierfür gilt der messianische Issac Hayes auf dem Album "Black Moses".
Genau so neu ist die auf vielen Plattenhüllen zu findende sexuelle Direktheit mit viel nackter Haut, eindeutigen Posen und zweideutigen Anspielungen die nicht nur auf die Erprobung der gerade postulierte Werbeformel "Sex Sells" zurückgeführt werden kann.

Exemplarisch hierfür die von S&M inspierten, erotisch aufgeheizten Coverkonzepte des Designers David Krieger und des Fotografen Joel Brodsky für die "Ohio Players". Die sexy Covers stehen in meisten Fällen mit den Texten und der Musik im Einklang und sind Zeugnis der sexuellen Liberalisierung der Gesellschaft in den 70er, die sich vielleicht nirgends so klar wie in der Underground Discoculture und ihrem Sound rekonstruieren und nachvollziehen lässt. 

Nicht übersehen werden sollte zum Abschluss, dass alle Covers vor dem Zeitalter der digitalen Bildbearbeitung produziert wurden. Ein großer Charme dieser Bilder liegt genau in jenen technischen Möglichkeiten und gestalterischen Herangehensweise dieser Designphase. Einerseits ist es die Fotokunst mit ausgefeilten Effekten der Beleuchtung, Doppelbelichtung, Retikulation oder Solarisation. Anderseits sind es die Arbeiten einer Vielzahl von renomierten Zeichner und Graphikern die jenen Platten diesen unverwechslbaren Wiedererkennungswert verleihen.
Bei genauem Durchsehen finden sich zahlreiche bekannte Namen von Fotographen und Illustratoren, wie beispielsweise Gerard Huerta, der das Logo für die Band Breakwater kreierte aber auch für Weltmarken wie Pepsi. Oder Tom Kelly, der nicht nur Eddie Kendricks sondern auch Marilyn Monroe nackt auf Unmengen von rotem Samt für seine berühmte Red Velvet Collection ablichtete. 

Mit "Funk & Soul Covers" laden uns Joaquim Paulo und Julius Wiedemann wiederum auf eine Reise durch die Musikgeschichte ein, bei der es nicht nur für Sammler und Liebhaber dieser Genres viel zu entdecken gibt. (Hermann Schmied, derStandard.at, 23.1.2011)