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Fußgänger Zone Kärntner Straße: Heute eine Selbstverständlichkeit. Anfang der 70er-Jahre gab es jedoch Gegenwind.

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Verkehrsplaner Hermann Knoflacher hat schon bei der Umsetzung der Kärntner Straße in eine Fußgängerzone am Konzept mitgearbeitet und seither viele autofreie Straßen umgesetzt: "Die Bevölkerung ist meist nach kurzer Zeit begeistert."

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Das soll auch bei der Mariahilfer Straße so sein: Bis 2013 soll sie autofrei werden und damit auch attraktiver.

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"Es war die Hölle los", erinnert sich Verkehrsplaner Hermann Knoflacher an die frühen Siebzigerjahre zurück, als die Kärntner Straße im ersten Wiener Gemeindebezirk autofrei wurde. Als im Jahr 1968 eine Untersuchung zeigte, dass aus der Einkaufsstraße problemlos eine Fußgängerzone gemacht werden könnte, blieben wütende Proteste nicht aus. Doch die Umsetzung habe den Geschäftsleuten, AnrainerInnen und der Stadt Wien gut getan. "Bei jeder Änderung schimpfen die Leute. Sie haben sich an etwas gewöhnt, auch wenn es noch so schlecht ist. Gelobt wird nur im Nachhinein", sagt Knoflacher. Im Prinzip gelte jedoch die Faustregel: "Je weniger Parkplätze, umso mehr Menschen kommen in die Stadt."

Kärntner Straße, Graben und Kohlmarkt als autofreie Zonen waren eigentlich nur als erste Stufe geplant, berichtet der Experte: Der ursprüngliche Plan war, die gesamte Innenstadt autofrei zu machen. Es gebe genügend Garagen um den ersten Bezirk herum, um das umzusetzen. Man könnte überall Fußgängerzonen machen, ist Knoflacher überzeugt: "Das Problem ist politische Partner zu finden. Die Bevölkerung ist in der Regel nach kurzer Zeit sehr begeistert." Das zeige auch das Beispiel Herrengasse in Graz, für die er 1972 die Fußgängerzone konzipierte: "Alle Befürchtungen von damals sind nicht eingetroffen, es funktioniert bestens."

Umsatz steigt in Fußgängerzonen

Eine andere Forderung, die Knoflacher seit Jahrzehnten stellt, soll nun umgesetzt werden: "Die Mariahilfer Straße ist nicht gut organisiert und das ist weder für die lokale Wirtschaft, noch für das Image der Stadt gut." Bis zum Sommer soll das Konzept für eine autofreie Mariahilfer Straße vorliegen, das bestätigte Neubau-Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger im derStandard.at-Interview. Auf einen fixen Termin wollen sich weder er, noch Verkehrs-Stadträtin Maria Vassilakou festlegen: Im Gespräch wird "frühestens 2013" angeführt.

Befürchtungen von Geschäftsleuten kann Knoflacher durch seine jahrzehntelange Erfahrung in der Umsetzung von Fußgängerzonen zerstreuen: "Die Umsätze steigen in Fußgängerzonen im Allgemeinen um mehr als 20 Prozent an." Das bedeute auch, dass mehr Waren zugeliefert werden müssen. Ausnahmeregelungen für LieferantInnen müssten daher gut organisiert werden, gibt der Experte zu bedenken. In Eisenstadt gebe es zum Beispiel beim autofreien Hauptplatz eine Reihe von Ausnahmegenehmigungen, die sehr rücksichtsvoll gehandhabt werden. Anders sei die Situation in Salzburg, berichtet Knoflacher: "Dort hat die Polizei an alle 'famous people' großzügig Ausnahmegenehmigungen verteilt. Das hat dazu geführt, dass Menschen, die Salzburg nur gebrauchen, aber nicht dort leben, mit dem Auto unterwegs waren."

Autobestand sinkt, Bevölkerung nimmt zu

"Der Autobestand in Wien nimmt seit 2002 stetig ab, im Gegenzug nehmen die Einwohnerzahlen zu", gibt Knoflacher zu bedenken. Die Menschen würden daher die Reize und Vorteile einer Stadt wieder entdecken, wenn Autos ihre Lebensabläufe nicht mehr so stark beeinflussen, ist der Experte überzeugt. 

Neue Fuzo in der Gardegasse

Autofrei sorgt auch anderswo im siebten Wiener Gemeindebezirk gerade für Zündstoff. Sie ist gerade einmal 30 Meter lang, aber erhitzt die Gemüter einiger Neubau-BewohnerInnen: Die Gardegasse, eine abschüssige Verbindungsgasse der Burggasse mit der Neustiftgasse, wurde zur Fußgängerzone mit "Radweg" erklärt. Das Modellprojekt läuft seit Anfang Dezember und soll für eine Verkehrsberuhigung sorgen. Geplant war eine Probezeit von neun Monaten. "Die ÖVP brachte jedoch schon kurz nach Start des Projekt im Bezirksparlament einen Antrag ein, die umstrittene Fußgängerzone sofort wieder aufzuheben", sagt Anrainer Karl Krycha, der an der Bürgerinitiative für eine autofreie Straße von Anfang an beteiligt war.

Streit um Parkplätze

Der Knackpunkt: 17 Parkplätze gingen verloren. "Man muss immer schauen, wo es Puffermöglichkeiten gibt. Im Allgemeinen herrscht bei Parkräumen eine ziemliche Schlamperei. Das ist wie in der Wohnung: Wenn man etwas aufräumt, hat man gleich viel mehr Platz", sagt Knoflacher. Dennoch gelte: Wenn man große Fußgängerzonen umsetzt, bei denen Parkplätze eliminiert werden, muss man Garagen zur Verfügung stellen. Weiters gibt der Verkehrsplaner zu bedenken: "Es hat keinen Sinn, einfach nur die Autos rauszunehmen und den Bordstein drin zu lassen. Solche autofreien Gebiete muss man menschengerecht gestalten und zu einem einladenden Bereich machen."

Karl Krycha wohnt seit 1996 in der Gardegasse. Bereits Ende der 90er-Jahre formierte sich eine Gruppe aus AnrainerInnen, die sich eine Verkehrsberuhigung ihrer Straße wünschten. Seit 2003 organisierten sie sich in Form der Agenda 2000. "Wir haben lokale Politiker zum Gespräch eingeladen. Die Vorgabe der Parteien war, wenn wir genügend Unterstützungserklärungen sammeln könnten, dann würden sie uns helfen", berichtet Krycha. 2007 startete die Unterschriftenaktion. Obwohl ausreichend Unterschriften gesammelt wurden, dauerte die Umsetzung von Seiten des Magistrats bis Dezember 2010.

Kein "Abschneiderverkehr" mehr

Er zählt die Vorteile der der kleinen Fußgängerzone auf: Einbahnen wurden umgedreht, daher gebe es nun keinen "Abschneiderverkehr" mehr durch die schmale Verbindungsstraße. "Alle, die durch die Gardegasse fahren, ohne einen Parkplatz zu suchen, fallen jetzt weg. Es ist auch in den umliegenden Straßen ruhiger geworden, es gibt weniger Verkehrsaufkommen", sagt er. Gegenwind kommt von der Initiative Pro 1070. Die GegnerInnen kritisieren die Umsetzung in einer "Nacht und Nebel Aktion" kurz nach der Wienwahl. Davon könne nicht die Rede sein, entgegnet Krycha: "Das Konzept wurde vom zuständigen Magistrat ausführlich geprüft. Wir hoffen nun darauf, dass die Politiker nicht umfallen und die Probezeit von neun Monaten eingehalten wird."

Fußgängerzone als Heilungsprozess

Verkehrsplaner Knoflacher plädiert bei der Gestaltung von Fußgängerzonen für klare Konzepte, die rasch umgesetzt werden: "Ich betrachte meine Tätigkeit wie ein Mediziner. Der Patient ist die Stadt und ich muss sauber operieren. Der Prozess der Beseitigung ist in der Regel schmerzhaft und soll kurz sein. Danach kann die Geschichte abheilen - und nicht weitereitern wie die Mariahilfer Straße." (Julia Schilly, derStandard.at, 21. Jänner 2011)

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