Berlin - Die Koalition in Deutschland hat ihren Streit um die Steuervereinfachungen nach zähem Ringen beigelegt. Wie Koalitionsfraktionen und Finanzministerium am Mittwoch in Berlin mitteilten, soll die besonders strittige Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrages bereits für 2011 gelten, aber erst im Dezember abgerechnet werden. Damit würden die damit verbundenen Steuerausfälle haushaltstechnisch erst im Haushaltsjahr 2012 wirksam.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte lange darauf beharrt, diese und weitere Maßnahmen des geplanten Gesetzes erst 2012 umzusetzen, um den Etat für das laufende Jahr nicht zu belasten. Dagegen drängten vor allem die FDP, aber auch Teile der CDU/CSU auf eine Umsetzung bereits 2011. Vorgesehene Änderungen bei Kindergeld und Kinderfreibetrag für volljährige Kinder sollen ab 2012 gelten, weitere Maßnahmen teils ab 2011 und teils ab 2012.

Der Arbeitnehmerpauschbetrag soll wie geplant um 80 Euro auf 1000 Euro im Jahr erhöht werden. Geltend gemacht werden soll dies mit der Lohnabrechnung im Dezember, so dass die Arbeitnehmer noch in diesem Jahr von der Änderung profitieren. Der Steuervorteil beträgt rund zwei bis drei Euro pro Monat. Die Ausfälle für den Bundeshaushalt betragen rund 300 Millionen Euro jährlich.

"Es ist eine gute tragfähige Lösung, die man da gefunden hat", kommentierte Regierungssprecher Steffen Seibert den Koalitionskompromiss. Zu der Frage, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) persönlich an dessen Zustandekommen beteiligt war, wollte er sich nicht äußern. Seibert räumte ein, die Einigung sei "kein ganz einfacher Akt" gewesen.

Der Sprecher des Finanzministeriums, Martin Kreienbaum, sagte, wichtig für Schäuble sei gewesen, dass es keine Haushaltswirkung für 2011 gibt und dass "die Maßnahmen vernünftig umgesetzt werden können". Zu beiden Punkten sei "eine sehr vernünftige Lösung gefunden worden". Kreienbaum räumte ein, dass der Haushalt 2012 damit doppelt belastet werde. Dies könne aber bereits bei der Haushaltsaufstellung berücksichtigt werden.

Der FDP-Finanzexperte Volker Wissing begrüßte die Einigung in der Zeitung "Die Welt" (Donnerstagsausgabe) als "grundsätzliches Signal für die Steuerpolitik". Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) kündigte zudem an, mit ihrer Konsolidierungspolitik wolle die Regierung weitere Spielräume für Steuerentlastungen erarbeiten. "Wir müssen vor allem die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen entlasten, so schnell wie möglich", sagte der Minister.

SPD-Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte in Berlin, die Koalition habe wochenlang erbittert darüber gestritten, ob durchschnittlich 2,90 Euro pro Bürger 2011 oder 2012 ausgezahlt werden. Dies zeige, "dass die FDP eine ertrinkende Partei ist, die nach jedem Strohhalm greift". SPD-Fraktionsvize Joachim Poß warnte in "Handelsblatt Online" mit Blick auf die Haushaltslage vor neuen, weitergehenden Steuersenkungen.

Grünen-Chef Cem Özdemir nannte die von der Koalition erzielte Einigung "armselig". Er sprach in Berlin von einer "hochgebauschten Placebo-Pille" für die Steuerzahler. Diese seien derzeit jedoch weniger besorgt wegen der Steuern als wegen der steigenden Lohnnebenkosten. Die Grünen-Finanzexpertin Lisa Paus erklärte, beim Arbeitnehmerpauschbetrag spendiere die Koalition den Arbeitnehmern umgerechnet "monatlich eine Tasse Kaffee". (APA)