In Österreich wird über mehr Steuerwettbewerb unter den Ländern diskutiert. Auf EU-Ebene gibt es eher die gegenläufige Diskussion. Was spricht für Konkurrenz, was dagegen, und welche Trends gibt es? Ein Überblick.

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Wien - Die Diskussion wird in St. Pölten genauso geführt wie in Brüssel. Sorgt mehr Steuerwettbewerb für einen effizienteren Staat oder nur zu einem schädlichen Steuerdumping? In Österreich drängt Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP) in regelmäßigen Abständen darauf, den Ländern mehr Steuerautonomie zu übertragen. Abgesehen von Niederösterreichs Erwin Pröll lehnen das die Landeshauptleute aber entschieden ab.

Auf EU-Ebene läuft die Debatte eher in die gegenläufige Richtung. Immer häufiger hieß es zuletzt, man brauche angesichts der wirtschaftlich auseinanderdriftenden EU harmonisierte Steuersätze - vor allem für Unternehmen. Die Iren wurden massiv bedrängt, ihren Körperschaftssteuersatz (KÖSt) von nur 12,5 Prozent aufzugeben - bisher ohne Erfolg.

Was spricht nun für Wettbewerb und was für Harmonisierung? Und wie haben sich die Steuersysteme zuletzt entwickelt? Eine aktuelle Übersicht von Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller zeigt: Der europäische Steuerwettbewerb hat sich in der Krise verlangsamt (siehe Grafik).

Der durchschnittliche Unternehmenssteuersatz der "alten" EU-Länder liegt 2011 bei 27,1 Prozent - und hat sich damit in den vergangenen drei Jahren nur wenig verändert. 2008 lag er bei 27,4 Prozent, im Vorjahr bei 27,3 Prozent. Österreich liegt mit einem KÖSt-Satz von 25 Prozent knapp unter dem Schnitt. Die durch die Krise verursache Budgetknappheit hat also bisher nicht zu einer Anhebung der Unternehmenssteuern geführt. Aber: Die Aufstellung betrifft nur die Steuersätze, nicht die Besteuerungsbasis, die in den Ländern nicht einheitlich ist.

Folgen der Osterweiterung

Die längerfristige Entwicklung zeigt allerdings eindeutig: Die EU-Osterweiterung hat sich bei den Unternehmenssteuern bemerkbar gemacht. Seit 2000 ist die Steuerbelastung im Raum der EU-15 um 8,2 Prozentpunkte gesunken, seit 1995 sogar um 10,9 Prozentpunkte. Die neuen EU-Mitglieder heben derzeit im Schnitt 18,4 Prozent an Unternehmenssteuern ein, sind also noch immer knapp neun Prozentpunkte "billiger" als die alten 15 EU-Länder.

Wäre nun eine Harmonisierung dieser Steuersätze sinnvoll? Eine generelle Vereinheitlichung wäre angesichts der wirtschaftlichen Heterogenität sicher nicht angebracht, findet Schratzenstaller. Osteuropa würde mit niedrigen Steuersätzen sonstige Standortnachteile ausgleichen. Zwinge man sie zu höheren Sätzen, habe das einen negativen Effekt auf die Direktinvestitionen. Denkbar seien daher höchstens differenzierte Mindestsätze, angepasst an die relative Wirtschaftskraft. Also niedrige Sätze für die neuen EU-Länder, etwas höhere für die alten.

Auf alle Fälle müsse die Bemessungsgrundlage vereinheitlicht werden, damit die Steuersätze tatsächlich vergleichbar sind, sagt Schratzenstaller. Denn: Ein 25-Prozent-Steuersatz in Österreich muss nicht die gleiche Steuerlast bedeuten wie ein 25-Prozent-Steuersatz in Dänemark. Die EU-Kommission will diesbezüglich im Laufe des Jahres 2011 einen Entwurf vorlegen.

Bei den Einkommenssteuern gibt es generell weniger Wettbewerb, wohl auch weil Arbeitnehmer nicht so schnell das Land verlassen wie Betriebe. Die Spannweite der Spitzensteuersätze ist innerhalb der EU-15 nicht sehr groß (40 bis 56,6 Prozent), die durchschnittliche Belastung hat sich in den vergangenen acht Jahren kaum verändert. Anders ist die Situation in den neuen EU-Ländern. Der Spitzensteuersatz liegt derzeit bei durchschnittlich 23 Prozent und ist seit 2003 um stolze zwölf Prozentpunkte gesunken. Der Abwärtstrend hat in diesem Bereich auch während der Krise angehalten.

Wenig Spielraum

Der innerösterreichische Steuerwettbewerb ist derzeit noch viel weniger ausgeprägt. Kleinen Gestaltungsspielraum haben die Gemeinden bei der Kommunalsteuer. Im Prinzip liegt die Steuerhoheit aber ausschließlich beim Bund, die Länder bekommen über den Finanzausgleich einen auszuhandelnden Anteil der Steuereinnahmen.

Österreich hinke bei der Steuerhoheit für die Länder im internationalen Vergleich hinterher, sagt Schratzenstaller. Mehr Autonomie sei daher unbedingt nötig, vor allem, weil die Länder dann eigene Steuern selbst vor den Bürgern verantworten müssten. In allen Bereichen seien Länder-Steuern freilich nicht sinnvoll. Für verschiedene Lohnsteuersysteme sei Österreich zu klein. Auch wäre damit ein großer Aufwand - Stichwort unterschiedlicher Wohn- und Arbeitsort - verbunden.

Bei Kfz- oder Grundsteuern könne man den Länder dafür sehr wohl Gestaltungsmöglichkeiten überlassen. Außerdem könne man auch Ober- und Untergrenzen bundesweit vorgeben, damit der Wettbewerb nicht zu stark wird, meint Schratzenstaller. (Günther Oswald, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.1.2011)