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Karl-Heinz Grasser

Foto: Reuters

Nicht nur die Justiz arbeitet sich an Karl-Heinz Grasser ab, auch die Satire entdeckt den Ex-Finanzminister zunehmend als lohnendes Ziel: Vor wenigen Wochen feierte im Rabenhof "Die Unschuldsvermutung" mit Grasser als einer der Hauptfiguren Premiere, die Kabarettisten Thomas Stipsits und Mike Supancic haben ein Grasser-Medley veröffentlicht, und vor allem die Internet-Community hat den Politiker als Opfer entdeckt und das Gagfeuerwerk "Grasser-Movies" gezündet. Ein derart aufwallendes Internetphänomen, ein sogenanntes Mem, mit Österreichbezug ist noch kein alltäglicher Vorgang.

Mem

Der Begriff Mem entstammt dabei den 70er Jahren und bezeichnete zunächst in der Evolutionsbiologie Phänomene, die nicht durch die Gene, sondern mittels Kommunikation vermittelt werden. Mittlerweile wird er auch für die in teils rasender Geschwindigkeit entstehenden Aufwallungen im Internet verwendet, die in Österreich noch weniger häufig anzutreffen sind als in den USA.

Das weiß auch Michael Kamleitner von der Internetagentur "Die Socialisten", die sich mit http://www.grassermovies.com am Hype beteiligt und dabei ein Votum initiiert hat. Gesucht wurden populäre Filmtitel, umgemünzt auf Grasser, wobei sich zahlreiche Teilnehmer auch die Mühe machten, Filmplakate - etwa von Martin Scorseses "Catch me if you can" - liebevoll umzuarbeiten. Als Sieger der Abstimmung stieg "Die fabelhafte Welt der Amnesie" aus dem Ring - vor "Erwischen Impossible" und "The Big Swarovski". Dem Gewinner wurde ein KH-Geschenkkorb spendiert, in dem sich neben einer Monatsration Haarfestiger und zwei Kinotickets auch ein Gedenkhäferl mit Grasser-Fotomosaik fanden. Immerhin rund 4.000 Personen haben sich am Voting beteiligt.

Erfolg

Begonnen hatte alles mit dem Tweet einer Userin unter dem Titel "Die supernackte Kanone", woraus sich ein Twitter-Reigen mit verschiedensten Vorschlägen für Film- und Songtitel entwickelte, bevor die satirische Welle auf Facebook überschwappte. Dies sei immer noch entscheidend für den Erfolg einer Bewegung, zumal die Twitter-Gemeinde in Österreich sehr klein sei, so Kamleitner.

"Prinzipiell ist es kein ganz neues Phänomen. In Österreich hat das Ganze aber wohl erst vor einem Jahr begonnen. Dass es sich in den etablierten Medien niederschlägt, ist aber selten", so der Socialmedia-Experte. Im europäischen Schnitt hinke Österreich damit allerdings nicht hinterher. Ein Vorläufer sei etwa im vergangenen Herbst die Internetseite http://www.icanhazk2.com gewesen, die den Usern ermöglicht, die gefakte K2-Besteigung von Christian Stangl selbst nachzustellen. In zwei Tagen hatten sich 800 Menschen am K2 eingecheckt, wofür es eine Nominierung zum "Deutschen Social Media Preis 2010" gab.

Dass nun konkret der Ex-Finanzminister Opfer der Satire geworden sei, liege auch an der Person Grasser, die durch ihre Nähe zum Boulevard dafür einfach prädestiniert sei. "Er selbst hat die Medien immer instrumentalisiert - und deswegen hat sich nun ein gewisser Umkehreffekt ergeben", vermutet Kamleitner. Die dezidiert politische Web-2.0-Kultur sei in Österreich hingegen noch stark entwicklungsfähig. Da seien die USA schon wesentlich weiter.

"Das ist eine Entwicklung der Community"

Politisch gesteuert sei das Satirebombardement auf Grasser jedenfalls nicht gewesen - weder in Bezug auf seine Firma, noch auf die User: "Das ist eine Entwicklung der Community." Die Socialisten sind als Agentur auf Onlinemarketing in sozialen Netzwerken spezialisiert: "Wenn sich solche Trends ergeben, ist es für uns spannend abzuklären, wie man sich an solchen Phänomenen beteiligen kann." (APA)

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