Östlich der Aleuten haben sich Orcas auf die Grauwal-Jagd spezialisiert.

Foto: Vancouver Aquarium/John Durban

Vancouver – Dass Schwertwale je nach Lebensweise überraschende Nahrungsvorlieben an den Tag legen, haben Forscher jüngst etwa bei Offshore-Orcas nachweisen können, die offenbar nicht vor Angriffen auf Weiße Haie zurückschrecken. Nun sind Wissenschafter einem weiteren bisher kaum bekannten Jagdschauspiel vor Alaska auf die Spur gekommen: Nach kanadischen Medienberichten vom Sonntag stellen in jedem Frühjahr vor Unimak Island, der östlichsten Aleuten-Insel, rund 150 Schwertwale (Orcinus orca) den vorüber ziehenden Grauwalherden nach und erbeuten dabei zahlreiche neugeborene und einjährige Wale. Nach vierjähriger Beobachtung sind die Forscher zu dem Schluss gekommen, dass etwa ein Drittel der Jungtiere den Orcas zum Opfer fällt – obwohl die Kälber größer sind als die Jäger.

"Walfänger wissen seit Jahrhunderten, dass Schwertwale andere Wale jagen, töten und verspeisen können, die viel größer sind als sie selbst", erläuterte der Forschungsleiter Lance Barrett-Lennard vom Vancouver-Aquarium in einer Mitteilung. "Aber solche Ereignisse werden nur selten beobachtet und berichtet, und es war schwer zu bestimmen, wie häufig so etwas ist, wie die Schwertwale das überhaupt fertigbringen und was die Auswirkungen auf die Populationen der Beutetiere sind."

Ausgeklügelte Jagd

Im Gegensatz zu ortsgebundenen Artgenossen, die vor allem Fische fangen und dabei eine Menge Lärm machen, jagen wandernde Schwertwale fast ausschließlich Meeressäugetiere. Dazu "schleichen" sich mehrere Jäger an die Beute heran. Während sich etwa 40 Tiere im Hintergrund hielten, würden Jägergruppen von drei bis vier Orcas die Kälber von ihren Müttern trennen und versuchen zu ertränken.

Oft flüchtete sich die angegriffene Herde in sehr flaches Wasser, wo sich die Schwertwale nicht mehr an sie herantrauen. Die Muttertiere könnten die Jäger auch mit der Fluke (Schwanzflosse) in die Flucht schlagen, wenn sie sich gleich zu Beginn energisch wehren. Die Schwertwale greifen die Herden bevorzugt in 15 bis 75 Meter tiefem Wasser an, wie die Forscher im Fachblatt Marine Ecology Progress Series schreiben.

Unerwartete Lagerhaltung

Die Meeresbiologen beobachteten zudem, dass die Schwertwale bei einem Überangebot an Beute die Kadaver für ein späteres Fressen lagern. Diese Lagerhaltung sei zuvor noch nie beobachtet worden. Die Jäger schleppen die toten oder sterbenden Wale sogar in flacheres Wasser, damit die Kadaver nicht in unerreichbare Tiefen hinabsinken. Erst nach 24 Stunden oder sogar noch später kämen sie wieder, um den Rest ihrer Beute zu fressen. Oft würden die Kadaver oder Teile davon allerdings an Land gespült und von anderen Tieren gefressen. Die Forscher beobachteten, wie sich gleich 19 Braunbären über einen Wal hermachten. (red/APA/dpa)