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Die wichtigsten Agrarrohstoffe sind seit letzten Sommer deutlich teurer geworden. Auf dem Bild ein Weizenlager in der nordindischen Stadt Chandigarh.

Foto: Reuters/Ajay Verma

Obwohl Studien den Einfluss bezweifeln, den Spekulation auf steigende Agrarpreise haben, wollen die EU-Agrarminister Regeln für Termingeschäfte mit Agrarwaren erarbeiten. Um die wegen des Dioxinskandals gefallenen Preise für Schweinefleisch aufzufangen, wird die EU subventionierte Lagerhaltung einführen.

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Berlin/Brüssel - Während der Ruf nach einem Verbot von Spekulation mit Agrarrohstoffen immer lauter wird, ist gar nicht sicher, ob diese Börsengeschäfte die Preisauftriebe überhaupt verursachen. Mehrere Analysen zu den Agrarpreisanstiegen von 2007/08 kamen in den letzten Monaten zu dem Schluss, dass es keinen Beleg dafür gibt, dass die Spekulation hauptsächlich schuld daran ist, dass die Preise für agrarische Rohstoffe in den letzten Monaten so gestiegen sind.

Auch ein Papier zur Rohstoffsicherheit, das die EU-Kommission am Mittwoch vorstellen will, geht nicht von einem direkten Zusammenhang aus, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Trotzdem wollen die EU-Agrarminister Agrarspekulation einschränken. Dies könne nun zu einem Zwist zwischen Kommission und Agrarministern führen, schreibt die FAZ. Schließlich soll das Thema auf die Agenda beim nächsten Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20) kommen (siehe untenstehenden Bericht).

Eine Untersuchung, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bei den Universitäten in Illinois und Southern Illinois in Auftrag gegeben hat, sieht jedenfalls "keine überzeugenden Belege dafür, dass die Positionen, die Index Trader oder Swap-Dealer halten, die Agrarmärkte beeinflussen". Es seien vielmehr grundlegende Faktoren wie steigende Weltbevölkerung, mehr Fleischkonsum und Agrarspritproduktion, die schuld an den Preisanstiegen sind.

Mehr Nachfrage

Zu dieser Ansicht kommen viele Beobachter, da die Preise für Grundnahrungsmittel wie Weizen oder Reis auch auf kleinen, abgelegenen Märkten steigen - Märkten, die keinen Zugang zu internationalen Finanzplätzen haben. Markus Hofreither von der Universität für Bodenkultur erklärt dies so: Bei den hohen Preisen komme es auch an den abgeschiedensten Märkten zu einem gewissen Abfluss an Agrargütern, dorthin, wo bessere Preise zu erzielen sind. Und bei knappem Angebot, wie derzeit, führe dies dann naturgemäß zu höheren Preisen.

Auch Friedhelm Schmider, Director-General der European Crop Protection Agency, einer Agrarindustrie-freundlichen Lobbyingagentur in Brüssel, sieht die Nachfrage mehr als Preistreiber denn die Spekulation. Die EU, meint Schmider, betreibe immer noch eine Agrarpolitik, die sich vor Butterbergen oder Milchseen, sprich: Lagerhaltung, fürchte. Gleichzeitig aber sei die Union zum weltgrößten Importeur von Agrargütern aufgestiegen. "Mit dieser Abhängigkeit von Importen macht sich die EU verletzbar und ist Preisausschlägen ausgeliefert", sagt er. Außerdem wird der Nahrungsmittel-Großimporteur EU mitschuld an Hungerrevolten in agrarisch weniger begünstigten Ländern wie zuletzt Tunesien.

Für die Argumentation von Schmider spricht, dass die UN-Lebensmittelbehörde FAO bis 2020 eine massive Ausweitung der agrarischen Produktion fordert, um die vielen, teilweise divergierenden Ziele rund um agrarische Produktion zu erreichen: Möglichst keinen Hunger in der Welt bei wachsender Bevölkerung, mehr Fleischkonsum, mehr Agrarsprit und mehr Klimaschutz durch zurückgenommenen, ökologischen Landbau.

Höhere Preise bei Stahl

Auch in der Stahlindustrie wird ein hoher Preisanstieg erwartet. Der Grund dafür sind die zu erwartenden Preisexplosionen bei Kokskohle. Wie berichtet, sind viele australische Kohleminen durch die Flutkatastrophe unter Wasser gesetzt. Diese Minen beliefern asiatische Stahlwerke.

In einer von der Financial Times durchgeführten Untersuchung bei Stahlunternehmen und Finanzdienstleistern wird heuer ein Preisanstieg zwischen 13 und 66 Prozent erwartet. Am unteren Ende rangiert mit 13 Prozent die Voest. Deren Generaldirektor Wolfgang Eder geht von einem vergleichsweise moderaten Anstieg aus, da die Voest ihre Kohle aus Polen, Tschechien und den USA bezieht. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.1.2011)