Alemdar, Actionheld aus dem Film "Tal der Wölfe", gibt sich schussfreudig gegenüber den Israelis.

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Wegen des Angriffs auf die Gaza-Hilfsflotte erhebt Ankara neue Vorwürfe gegen Israel.

Polat Alemdar ist ein Mann, der sich seit Jahren den Weg zur Gerechtigkeit mit der Pistole freischießt. Jetzt aber kommt dieser türkische James Bond mit Politik und Behörden in der EU in Konflikt. In Deutschland ist der für Donnerstag geplante Kinostart von Tal der Wölfe - Palästina verschoben worden, in Österreich soll der antiisraelische Actionfilm trotz Protesten anlaufen - ausgerechnet am internationalen Holocaust-Gedenktag. "Für jedes gekrümmte Haar eines Unschuldigen würden wir die Welt opfern", deklamiert Alemdar in dem Streifen. Seine Mission: Rache für Israels Angriff auf die Gaza-Hilfsflotte. "Wir sind nicht nach Israel gekommen, wir sind nach Palästina gekommen", antwortet er einem israelischen Soldaten im Film.

Der populäre Serienheld stört nebenbei auch die Bemühungen der türkischen Regierung, den Untersuchungsbericht zum Sturm auf die Mavi Marmara im vergangenen Jahr ins rechte Licht zu rücken. Wahrscheinlich sei der Film zu diesem Zeitpunkt nicht sehr hilfreich, räumt der türkische Diplomat Mithat Rende ein. Profitorientierte Leute hätten den Film gemacht, sagt der Diplomat, "sie glauben wohl, dass er sich gut in der arabischen Welt verkauft".

Rende ist der Verbindungsmann des türkischen Außenministeriums zur UN-Kommission, die die Vorfälle vom 31. Mai 2010 untersuchen soll, als eine Flotte von acht Schiffen mit humanitärer Hilfe die von Israel verhängte Blockade des Gazastreifens offenbar durchbrechen wollte. Bei dem Sturm auf das Leitschiff Mavi Marmara mit knapp 600 Passagieren wurden acht türkische Aktivisten und ein US-türkischer Bürger erschossen. Die Beziehungen zwischen der Türkei und Israel liegen seither auf Eis.

In einem Gespräch mit Journalisten in Istanbul erhob Rende zu Beginn der Woche schwere Vorwürfe gegen die israelische Regierung. Der Angriff auf die Mavi Marmara sei vorbereitet und geprobt worden. Forensische Daten zeigten, dass von "Selbstverteidigung" nicht die Rede sein könne: Eines der Opfer zum Beispiel sei von einem Soldaten, der sich von einem Hubschrauber abseilte, noch aus der Luft durch einen Schuss in den Nacken getötet worden, wie der Einschusswinkel bewies. Alle Leichen seien gewaschen worden, bevor sie den türkischen Behörden übergeben wurden, berichtete Rende. Die israelische Armee habe Spuren an Bord der Mavi Marmara überstrichen, sämtliche Kameras wurden leer zurückgegeben, die Bilder des schiffseigenen Videosystems seien zerstört worden. "Wer das macht, zeigt, dass er unter Druck ist und etwas verbergen will."

Israel hatte seinen Untersuchungsbericht erst vergangenen Sonntag an die Uno gesandt und gleichzeitig publik gemacht. Seither geht auch die türkische Regierung mit Teilen ihres bisher unter Verschluss gehaltenen Berichts vom September 2010 an die Öffentlichkeit. Die UN-Kommission wird von Neuseelands Ex-Premier Geoffrey Palmer geleitet.

Rende wies nun darauf hin, dass es drei Tage vor dem Angriff auf die Mavi Marmara, am 28. Mai 2010, Regierungskontakte gab, um sicherzustellen, dass es zu keiner gewalttätigen Konfrontation käme. Der Konvoi sammelte sich zu diesem Zeitpunkt vor Zypern. Der türkische Staatssekretär im Außenministerium, Feridun Sinirlioglu, habe an jenem Tag mit dem damaligen US-Botschafter in Ankara, Jeffrey James, und mit Yossi Gal, dem Generaldirektor des israelischen Außenministeriums, telefoniert. "Wir gingen davon aus, dass alles unter Kontrolle ist", sagte Rende. (Markus Bernath aus Istanbul/ DER STANDARD, Printausgabe, 27.1.2011)