Seit über vier Jahren versucht die Justiz zu klären, wer am 30. Mai 2006 bei einer wilden Schießerei im Cafe "Cappuccino" in Wien-Hernals einen Mann erschossen und einen weiteren lebensgefährlich verletzt hat. Eineinhalb Jahre saß der vermeintliche Todesschütze in U-Haft, ehe die Staatsanwaltschaft die Anklage gegen den Verdächtigen fallenließ, weil sie die Beweislage für nicht ausreichend hielt, um den Mordvorwurf gegen diesen aufrechtzuerhalten. Nun gibt es allerdings immer mehr Zeugen, die behaupten, der gerichtlich freigesprochene Mann sei der wahre Täter.

Gegen diese Zeugen geht die Anklagebehörde mit aller Härte des Gesetzes vor. Eine frühere "Cappuccino"-Kellnerin und zwei Männer, die bei der Schießerei anwesend waren, wurden bereits wegen falscher Zeugenaussage und Verleumdung vor Gericht gestellt und die beiden Männer zu drei bzw. zweidreiviertel Jahren unbedingter Haft verurteilt.

Zeuge bricht Schweigen

Ähnliches erwartet nun einen 30-Jährigen, der ebenfalls die Schießerei an Ort und Stelle mitbekommen und auf Fragen der Polizei nach dem Täter jahrelang geschwiegen hatte. Im September 2008 sagte er etwa wörtlich: "Ich weiß, wer geschossen hat, werde die Person aber nicht nennen." Erst Ende März 2009 gab der 30-Jährige dann zu Protokoll, dass der zu diesem Zeitpunkt bereits freigesprochene Mann damals zur Waffe gegriffen hätte, als zwei Bewaffnete im Zuge von Zwistigkeiten im Rotlicht-Milieu das "Cappuccino" gestürmt hatten.

Das wiederholte der 30-Jährige am Donnerstag im Straflandesgericht auch vor Richterin Minou Aigner: "Er war's. Das ist die Wahrheit." Auf die Frage, warum er sich erst mit erheblicher Verspätung deklariert habe, meinte der Angeklagte, er habe "versucht, den Mann zu schützen. Wenn er nicht im Lokal gewesen wäre, wären wir möglicherweise alle umgekommen". Erst als der vermeintliche Todesschütze in einer Einvernahme einen anderen Mann fälschlicherweise als Mörder belastet habe, habe er sich entschlossen, sein Wissen bekanntzugeben.

Staatsanwaltschaft vermutet Ablenkungsmanöver

Die Staatsanwaltschaft ist davon überzeugt, dass diese Aussage nicht den Tatsachen entspricht und dazu dient, vom tatsächlichen Täter abzulenken. Ob der 30-Jährige dafür ins Gefängnis muss, wird sich in Kürze herausstellen. Die Verhandlung soll Mitte Februar abgeschlossen werden. (APA)