Wien - In Österreich erkranken pro Jahr rund 36.000 Menschen an Krebs. 300.000 Patienten leben mit dieser Diagnose. Doch ausreichende Rehabilitationsangebote nach der eigentlichen Therapie auf Sozialversicherungskosten gibt es für sie fast nicht. "Wir würden pro Jahr einige tausend Plätze benötigen", klagte der Wiener Onkologe Christoph Wiltschke (MedUni Wien/AKH) bei einem Hintergrundgespräch in Wien.

Der Fachmann über die in Österreich offenbar existierende Diskrepanz zwischen von Spitalerhaltern und Krankenkassen bezahlter Therapie bei Krebserkrankungen und den mangelnden speziellen Rehabilitationskapazitäten: "Manche Krebstherapien kosten mehrere 100.000 Euro. Da ist das Geld da. Drei Wochen onkologische Rehabilitation kosten 5.000 bis 6.000 Euro. (...) Wir sitzen permanent an einer Stelle, an der wir Menschen etwas geben wollen, was eine dramatische Besserung ihrer Lebensqualität ermöglicht, können es aber nicht."

Unterschiedliche Ursachen

Dahinter stecken offenbar zwei verschiedene Ursachen. Wiltschke, seit 30 Jahren in der Krebsmedizin tätig, über historische Gründe: "Es war lange Zeit so, dass Krebserkrankungen sehr rasch und sehr rasch tödlich verliefen, wenn man sie nicht im Frühstadium durch Operation heilen konnte. Das hat sich in den vergangenen 20 Jahren geändert. (...) Wir haben jetzt 80 Prozent der Patienten, die entweder gesund werden oder sehr lange krank sind. Da braucht man eine Art Übergangsbehandlung mit Physiotherapie, psychologischer und sozialmedizinischer Betreuung. Das kann man nicht an medizinischen Zentren machen. Es gibt zahllose Studien, die gezeigt haben, dass man durch Rehabilitation die Lebensqualität der Betroffenen dramatisch verbessern kann." Es ginge darum, den Krebspatienten so zu helfen, dass sie "in ihr Leben zurück" kommen könnten.

Hinzu kommt - so der Onkologe - eine Sozialsystemproblematik: Die Rehabilitation wird nicht von den Krankenkassen, sondern von der Pensionsversicherungsanstalt gewährleistet. Dort wurden traditionell wiederum am ehesten "organspezifische" Rehab-Einrichtungen geschaffen: für Herz-Patienten, für Kranke mit Leiden des Bewegungs- und Stützapparates. Für das breite Feld der Krebserkrankungen - hier bildet beispielsweise die Psychoonkologie eine Klammer über für einzelne Erkrankungen spezielle Rehab-Maßnahmen hinweg - gibt es in Österreich nur einige wenige Einrichtungen.

Nachholbedarf

Wiltschke: "Wir müssten uns nur ziemlich gute Beispiele aus Ländern wie Deutschland, Frankreich, Italien und den USA ansehen. Hier haben wir in Österreich einen gewissen Nachholbedarf." Dies klingt nach Untertreibung. Der Onkologe: "In Deutschland gibt es mehr als 50 Kliniken, die onkologische Rehabilitation machen." Bei einer Informationsveranstaltung im Februar 2010 in Wien war gar von in Deutschland 200 Vertragskliniken für diesen Bereich und pro Jahr dort durchgeführten 150.000 Rehabilitationsmaßnahmen die Rede. Ohne Änderungen der Rahmengesetzgebung in Österreich, werde hier kaum eine Änderung der Situation zu schaffen sein, meinte der Fachmann. (APA)