Im Wiener Schmetterlinghaus sind im Februar rund 40 Naturfotografien des Grafikers und Indonesienreisenden Michael Grünwald zu sehen. Eine kleine Auswahl von der Riesenkrabbenspinne bis zum Cenderawasih im Togian-Arhipel Nationalpark zeigt diese Ansichtssache.

Tropisches Abendlicht
Insel Togian, Togian-Archipel Nationalpark

Nachdem sich dunkle, tiefhängende Regenwolken über den südlichen Inseln des Togian-Archipels entladen hatten, senkt sich goldenes, sattes Abendlicht über den dichten Mangrovendschungel an den Küsten stiller Buchten. Wir mieten ein kleines Langboot und lassen uns auf spiegelglatten Wasser entlang gleiten. Ich höre das entfernte Kreischen der Vögel, vom Dorf der Seenomaden dringt Kindergeschrei und das Hämmern auf Holz zu mir herüber. Der satte, leuchtende Moment währt nur kurz, ein paar Minuten lang. Dann wird das Licht blasser, und Dämmerung senkt sich über die Tropen.

Riesenkrabbenspinne mit Beute
Insel Gap, Togian-Archipel Nationalpark

Aufstehen um Mitternacht. Die beste Zeit, um Palmendiebe aufzuspüren, wenn sie durch das filzige Buschwerk kriechen. Doch statt mit prächtigen Krustentieren haben wir es mit Riesenkrabbenspinnen (Spassaridae) zu tun, handtellergroße Arachniden. Das regungslos verharrende Raubtier ist in der Dunkelheit leicht zu finden, da seine Augen das Licht meiner Stirnlampe reflektieren. Ich muss zweimal hinsehen, um zwischen den Mundwerkzeugen der Spinne den halb verspeisten Körper eines Geckos zu erkennen.

Outer Space
Insel Batudaka, Togian-Archipel Nationalpark

Im Schatten schroffer Kalksteinfelsen, dicht unter der Wasseroberfläche, treibt der wabernde Körper einer Ohrenqualle (Aurelia sp.). Auf der Suche nach dem richtigen Blickwinkel muss ich mehrmals um das Tier herumtauchen. Das schräg einfallende Licht und der dunkle Hintergrund des Felsens schaffen den Eindruck einer interstellaren Begegnung.

Sandbank
Sorido Bay, Raja Ampat-Archipel 

Das kleine Experimentalflugzeug macht nach Erreichen einer bestimmten Höhe noch einmal kehrt und zieht einen Bogen über einer der Sorido-Bucht vorgelagerten Koralleninsel, denn von oben gesehen offenbart sich ihr wahres Geheimnis. Zwischen dem kleinen Eiland und der Meerenge, die die Insel Kri von der Insel Gam trennt, erstreckt sich eine weitläufige, von starken Mündungsströmungen geformte Dünenlandschaft, deren Mulden mit klarem Wasser gefüllt sind, während die Kämme über den Meeresspiegel ragen. Hunderte Jahre müssen vergangen sein, um diese Sandbank Schicht für Schicht mit Sediment, Kalk und den Ausscheidungen korallenfressender Tiere zu errichten.

Krokodilsfisch, Cymbacephalus beauforti
Insel Kri, Raja Ampat-Archipel 

Es ist die Symmetrie der Tarnung, die Spiegelung der Fransen, Flossen und Muster, die diesen in sich ruhenden Raubfisch für mich sichtbar machen. Könnte es sein, dass Jäger und Gejagter Symmetrie nicht wahrnehmen? Dennoch, nichts scheint ihn aus der Ruhe zu bringen, doch die Trägheit täuscht. Bei Bedrängnis erzeugt das Tier in Sekundenschnelle eine ungeheure innere Kraft, die es aus dem Stand davonschnellen lässt. Nur mit Flossen und Schnorchel ausgerüstet, bedarf es mehrmaligen Abtauchens, um die richtige Perspektive einzufangen. Krokodilfische zählen zu den charakteristischen Bewohnern der Raja Ampat-Inselwelt.

Kleine Seegrasqualle, Mastigias papua
Insel Gam, Raja Ampat

Einer der Meereskanäle, die wie Teile eines Labyrinths an Straßen und Kreuzungen die Kalksteinfelsen und kleinen Halbinseln der Insel Gam zerteilen, mündet in einen türkisfarbenen Sandpool ohne Korallenbewuchs. Das Wasser ist trüb und reflektiert so das senkrecht einfallende Mittagslicht umso stärker. Dieses giftgrüne Universum ist Spielplatz unterschiedlicher Quallenarten, die selbst vom Boot aus klar und deutlich zu erkennen sind, egal wie groß sie auch sein mögen. Ich folge dieser mausgroßen Qualle und versuche, sie mit der Kamera in einen unbewussten Dialog mit der unantastbaren Welt jenseits des Meeresspiegels zu bringen.

Halbblattfingergecko, Hemidactylus frenatus
Insel Pepaya, Cenderawasih Bay Nationalpark

Dunkelgraue Nacht senkt sich über das kleine, dichte Stück Dschungel auf der kleinen Insel im Süden des Nationalparks. Es genügen ein paar Schritte ins Dickicht, um nachtaktiven Tieren auf der Jagd nach Fressbarem zu begegnen. Ein vom Schwanzende bis zum Rumpf getüpfelter Gecko hat sich auf einem Blatt niedergelassen, um an einer Blüte zu schnuppern. Dabei gelingt dem Tier eine für Reptilien ungewohnte Pose, indem es seine Vorderbeine gegen den Körper stemmt und aussieht, als mache es Liegestütze.

Pazifikwaran, Varanus indicus
Insel Pepaya, Cenderawasih Bay Nationalpark

In den frühen Morgenstunden lässt dann der Regen nach, es ist noch angenehm warm. Im Dämmerlicht tönen die ersten Vogelrufe bis weit jenseits der Küste über das Meer. Und wenn die Sonne über den Horizont steigt, reflektiert das in den Blättern und Spinnennetzen hängen gebliebene Regenwasser das erste Licht und der Wald scheint zu funkeln. Auch Reptilien wie der Pazifikwaran tragen einen Film aus Wasser um ihre Körper. Das träge von einem schräg gewachsenen Baum herabkriechende Tier hat mich entdeckt und verharrt regungslos zwischen Sonne und mir. Die kleinste Bewegung, und der Waran zeigt, wie schnell er sein kann.

Männlicher Edelpapagei, Eclectus roratus 

Die Lücke im dichten Wirrwarr der tierischen Abhängigkeiten schließen zwei Tiergruppen auf ausufernde Art und Weise: Insekten und Vögel. Die Zahl der Vögel, die keine größeren Räuber zu fürchten haben, ist unübersehbar. Auf den Inseln des Raja Ampat-Archipels sind es vor allem Papageien, die, wenn sie nicht zu sehen, so doch zumindest lautstark zu hören sind. Nahe an die Grenzen des Inselregenwaldes und darüber hinaus wagen sich Edelpapageien, um sich an palmenumwuchernden Schmarotzerpflanzen satt zu fressen. Bei dieser Spezies sind Weibchen knallrot gefärbt, während die Männchen auf monochrom grünes Federkleid zurückgreifen müssen.

Cenderawasih, Paradisea rubra
Insel Gam, Raja Ampat-Archipel

Weil man im Zeitalter der Entdecker die ersten präparierten Vogelbälger aus den östlichen Territorien versehentlich ohne Beine nach Europa geschickt hat, haben britische Biologen annehmen müssen, dass es sich um Geschöpfe handle, die mit ihrem prachtvollen Federkleid niemals den Boden berühren, sondern ganz und gar in himmlischen Sphären beheimatet sind. Im Paradies also. Früh am Morgen kauere ich hinter Palmwedeln auf einem Hügel im Inselregenwald, im Blickfeld die ausladende Astgabel eines Baumriesen, während das Morgenlicht das immerfeuchte Grün in ein bläuliches Zwielicht taucht. Wenig später bin ich Zeuge üppiger Federtänze, wilden Geflatters und lauten Gekreisches. Mehrere Männchen haben sich eingefunden, um ein Weibchen zu bezirzen. Das Schauspiel hält an, bis das Dämmerlicht grellem Tageslicht weicht.

Fotos und Text: Michael Grünwald

Ausstellung "Into Indonesia - Eastern Territories": Naturfotografien von Michael Grünwald sind von 1. bis 28. Februar 2011 im Schmetterlingshaus (Palmenhaus Burggarten, 1010 Wien) zu sehen. Die Vernissage findet am Montag, 31. Jänner, 19 Uhr, statt.

Link: www.biodiversity.at