Wien Westbahnstraße, Freitag abend: Ein Polizist, der eine Frau anrempelt, weil sie fotografisch dokumentiert, wie drei Polizisten einen Demonstranten mit dem Gesicht nach unten auf den Boden drücken. Ein weiterer Polizist, der diese Frau anbrüllt, sie als „Sau" beschimpft, sie mehrmals stößt und schließlich in den - bereits geschlossenen - Polizeikessel zu drängt - als „Strafe" fürs Fotografieren, sozusagen.

Eine Stunde später, selber Ort: Der Einsatzleiter der Polizei hat eine „Bannmeile" vor dem Polizeikessel errichten lassen. MedienvertreterInnen dürfen das Geschehen im Kessel nur aus etwa siebzig Metern Abstand betrachten - Interviews mit DemonstrantInnen im Kessel oder auch nur Film- oder Fotoaufnahmen aus der Nähe werden dadurch unmöglich.

Aufgeheizte Protest-Stimmung

Die Szenen, erlebt von derStandard.at-RedakteurInnen, entstammen jenen Protesten, die Freitag abend an mehreren Orten in Wien das Straßenbild prägten, und die sich längst nicht mehr nur gegen den Auftritt rechtsextremer Prominenz in der Wiener Hofburg wandten, sondern zu einem wesentlichen Teil auch gegen das De facto-Demonstrationsverbot, das die Behörden zuvor ausgesprochen hatten. Sowohl eine Demonstration am - von der Hofburg weit entfernten - Praterstern, als auch eine Kundgebung im Votivpark waren nicht genehmigt worden. Für das Areal rund um die Hofburg hingegen, wo sich Europas Rechte zum staatenübergreifenden Networking traf, sprach die Polizei ein Platzverbot aus. 

Die WienerInnen hatten es an jenem Freitag also mit einer Sicherheitsbehörde zu tun, die das verfassungsmäßige Recht auf Versammlungsfreiheit einschränkte, während sie jene Gruppierungen, die unter dem steten Verdacht stehen, Verfassungsrecht zu brechen - indem sie die Verbrechen des Nationalsozialismus verharmlosen - , unter ihren Schutz stellte. Mit einer Polizei, die, anstatt kontrollierte Demonstrationen an einem überschaubaren Ort zuzulassen, Hundertschaften von PolizistInnen auf Wiens Straßen schickte, um den unvorhersehbaren, spontanen Splitterdemonstrationen an mehreren Orten der Stadt Einhalt zu gebieten.

Keine De-Eskalation

Im Nachhinein sah sich die Exekutive bestätigt: Diverse Sachbeschädigungen, beispielsweise brennende Mülltonnen oder ein beschädigtes Schaufenster, hätten gezeigt, dass von den DemonstrantInnen tatsächlich Gefahr für die Öffentlichkeit ausgehe, hieß es in einer Aussendung. Ohne diese Vorfälle verharmlosen zu wollen: Dass die lange zuvor angemeldete Demonstration derart kurzfristig untersagt wurde, hat wohl nicht zur Deeskalation beigetragen. 

Wer das Geschehen der letzten Woche beobachtete, konnten unterschiedliche Eindrucke gewinnen, einen aber nicht: Dass es in dieser Stadt einen klaren antifaschistischen Konsens gibt. Während rechtsextreme Webseiten ihre SympathisantInnen zur Gewalt gegen Demonstrierende aufriefen, schienen die Sicherheitsbehörden Gefahr nur von links zu befürchten. Gleichzeitig wurden Medien, die den antifaschistischen Protest und den Einsatz der Exekutive dokumentieren wollen, wie eingangs geschildert bei ihrer Arbeit behindert. 

Am Ende des Tages gab es nur einen Gewinner: Udo Guggenbichler. Der Organisator des Burschenschafter-Balls konnte seinen Gästen ein von politischen Protesten unbeeindrucktes Feiern ermöglichen. Gescheitert ist an jenem Abend die Leitung der Wiener Polizei: Nicht nur, weil sie ihre Einheiten ausschickte, um sich ein Katz- und Maus-Spiel mit den DemonstrantInnen zu liefern, sondern auch, weil sie an ihrer grundsätzlichen Aufgabe, gesetzlich verbrieftes Recht zu hüten, nicht nachkam: Sich zu versammeln, um zu protestieren, und diesen Protest ungehindert in Medien wiederzufinden, war am Freitag nur eingeschränkt möglich. Die Polizei machte ihre DienstnehmerInnen zu Securities der Burschenschafter, indem sie deren Feier schützte und im Verborgenen hielt, aber haufenweise Datenmaterial über jene Menschen sammelte, die an der Veranstaltung - legitime - Kritik übten. (Maria Sterkl, derStandard.at, 31.1.2011)