Politischer Anschlag oder Streit um Geld? Vor dieser Frage steht derzeit die Wiener Polizei nach einer Attacke auf einen 69-jährigen, in Tunesien geborenen, Österreicher. Für beide Varianten gäbe es Argumente, heißt es polizeiintern. Der Mann war in der Nacht auf Samstag schwer verletzt in Wien-Penzing gefunden worden, sein Zustand ist noch immer kritisch.

Fest steht laut Polizeisprecher Roman Hahslinger bisher, dass Mohamed T. Freitagnacht gegen 22.40 Uhr von einem oder mehreren Tätern in einem Durchgang zu seinem Wohnhaus in der Linzer Straße angegriffen worden ist. Mit einem stumpfen Gegenstand - möglicherweise einem Baseballschläger - wurden dem Opfer schwere Kopfverletzungen zugefügt. Nur Minuten später fand ein Passant den Bewusstlosen.

Heikler Fall

Heikel an dem Fall ist, dass der Mann bis Dezember bei der "Fédération RCD Autriche" aktiv war - einem Verein der ehemaligen Regierungspartei Tunesiens unter Führung des gestürzten Staatschefs Zine El Abidine Ben Ali. Logischerweise steht damit im Raum, dass es nach dem Umsturz in dem Mittelmeerland zur Begleichung alter Rechnungen gekommen ist. Denn von Oppositionellen wurde behauptet, dass der Verein durchaus Exiltunesier bespitzelt hat.

Weiteres Indiz für diese Theorie: Am 11. Jänner gab es einen noch ungeklärten Brandanschlag auf das Vereinslokal in der Wiener Innenstadt. Allerdings: "Die Szene war bisher völlig ruhig" , sagt ein Beamter des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT). "Auch die Vertreter der Islamisten sind nie auffällig geworden."

Im Innenministerium wird auch dementiert, dass Mohamed T. sich in dem Verein besonders exponiert habe - Gerüchte, er sei ein Vertrauter von Ex-Präsident Ben Ali gewesen, bestätigt man ebenso nicht. Gegen die Polit-Theorie spricht für die Ermittler wiederum die Tatsache, dass die Vorgehensweise für ein politisches Attentat höchst ungewöhnlich sei. "Normalerweise werden Schuss- oder Stichwaffen eingesetzt. Es kann natürlich sein, dass der oder die Unbekannten nichts anderes zur Hand hatten" , sagt ein Polizist.

Streit um Lokal

Die ersten Ermittlungen über das Wochenende ergaben aber, dass auch ein anderes persönliches Motiv in Frage kommen könnte. Der Pensionist soll mit einem weiteren Tunesier in einen Streit um ein Lokal verwickelt gewesen sein. Überhaupt müsse das persönliche Umfeld des Opfers noch ausführlich durchleuchtet werden.

Groß ist die tunesische Gemeinschaft in Österreich jedenfalls nicht. Knapp 1500 Menschen mit "aufrechtem Aufenthaltstitel" , also Zuwanderer und Asylwerber mit positivem Bescheid, lebten im Vorjahr hier. Lediglich 56 Asylanträge wurden im Gesamtjahr 2010 gestellt.

Besorgt sind die Staatsschützer dennoch. Schließlich wurde erst vor zwei Jahren der tschetschenische Oppositionelle Umar Israilov in Wien erschossen. Auch zu Anschlägen auf kurdische und türkische Vereine kam es in den vergangenen Jahren öfters. Ein weiterer spektakulärer Fall waren die so genannten Kurdenmorde im Jahr 1989, bei denen drei iranische Regimegegner erschossen wurden. (Michael Möseneder/DER STANDARD-Printausgabe, 1.2.2011)