Wien - Bei der in der Nacht auf Sonntag aus dem Kunsthistorischen Museum Wien (KHM) entwendeten, 26 Zentimeter großen Skulptur handelt es sich um ein Salzfass. Es ist die einzige erhaltene, gesicherte Goldschmiedearbeit des italienischen Bildhauers, Manieristen und zeitweiligen Michelangelo-Schülers Benvenuto Cellini (1500-1571), der Musikfreunden zumindest als Titelheld einer Hector-Berlioz-Oper geläufig sein dürfte.

Das Kleinod entstand während Cellinis Aufenthalt in Paris 1540 bis 1543 im Auftrag König Franz I. von Frankreich. Als Geschenk König Karls IX. gelangte das Salzfass an Erzherzog Ferdinand II. (von Tirol), der den König bei dessen Hochzeit mit Erzherzogin Elisabeth 1570 vertreten hatte. Das Tafelgerät, das Cellini eigenen Angaben nach aus Goldblech freihändig getrieben hat, ist gleichzeitig eine allegorische Darstellung des Planeten Erde.

"Unverkäuflich"

Der in der Nacht auf Sonntag begangene Diebstahl wirft eine Reihe von Fragen auf. KHM-Direktor Wilfried Seipel, der den Wert des von der Uniqa versicherten Kunstwerks mit über 50 Millionen Euro veranschlagt, sprach gestern von einem "Kunstraub gigantischen Ausmaßes".

Überdies sei das Salzfass auf dem Kunstmarkt "völlig unverkäuflich" - was die Vermutung nahe lege, dass es sich bei dem Räuber entweder um einen "wahnsinnigen" Liebhaber oder aber bei den Drahtziehern um mutmaßliche Erpresser handle. Der kunsthistorische Wert des Kunstwerks übersteige bei weitem dessen Materialwert, denn das Salzgefäß sei zum Großteil aus Wachs gefertigt und nur vergoldet, so Seipel: "Hoffentlich kommt niemand auf die Idee, es einzuschmelzen."

Zum Tathergang erklärte der Direktor, dass der oder die Täter über ein Gerüst auf der dem Museumsquartier zugewandten Seite in den ersten Stock gelangt sind. Dieses Gerüst bezeichnete Seipel als "Schwachstelle" der Sicherheitsvorkehrungen; allerdings sei der Zugang zum Gerüst durch abgeschlossene Türen gesichert gewesen. Danach sei das Fenster eingeschlagen worden und die Vitrine, in der das Salzfass aufbewahrt wurde, "brutal und wuchtig" - weil es sich um dickes Glas handle - zerschlagen worden.

Nach derzeitigem Erkenntnisstand ortet Seipel kein Versagen der Sicherheitsvorkehrungen. Die auf modernstem Stand der Technik befindlichen Alarmanlagen - überwiegend handelt es sich um so genannte "Bewegungsmelder" - hätten einen ordnungsgemäßen Alarm ausgelöst.

Derzeit werde untersucht, warum darauf nicht sofort reagiert worden sei. Über den Zeitpunkt, wann Alarm ausgelöst wurde, wollte Seipel vorerst nichts sagen. Kolportiert wird allerdings eine Tatzeit um vier Uhr. Warum der Alarm erst rund vier Stunden später weitergegeben wurde, erscheint unklar: Die Sicherheitszentrale des KHM ist 24 Stunden am Tag besetzt, der Nachtdienst wird von drei Sicherheitsleuten wahrgenommen, die in regelmäßigen Rundgängen die Sicherheit des Gebäudes sicherstellen.

Der KHM-Direktor habe sofort nach Bekanntwerden des Diebstahls mit Innenminister Ernst Strasser (VP) telefoniert, der seinerseits unverzüglich das Bundeskriminalamt eingeschaltet habe. Nun werden auch Hinweise auf mögliche internationale Kontakte der Täter untersucht. Seipel und das KHM haben eine Prämie von 70.000 Euro für sachdienliche Hinweise ausgesetzt. Seipel betont, dass es sich bei den Räubern keineswegs um eine "internationale Bande" handeln müsse. Eine "lokale" Täterschaft sei durchaus möglich. Die schönste Beschreibung der "Saliera" stammt wohl aus der Feder von Cellini selbst: "Um zu zeigen, wie das Meer sich mit der Erde verbindet, machte ich zwei Figuren einen guten Palm groß, die mit verschränkten Füßen gegeneinander saßen, so wie man die Arme des Meeres in die Erde hineinlaufen sieht. Das Meer, als Mann gebildet, hielt ein reich gearbeitetes Schiff, welches Salz genug fassen konn- te . . .; die Erde hatte ich weiblich gebildet, von so schöner Gestalt und so anmutig, als ich nur wusste und konnte." (poh, trenk, APA)