Franz Hammerbacher, "Bravo Hotel". € 22,00 / 360 Seiten, Edition Korrespondenzen, Wien 2010

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Eine Streichholzbreite vom Burn-out entfernt meldet sich Franz Hammerbacher, bis dahin Leiter eines kleinen Literaturverlags, am 1. Jänner 2007 beim österreichischen Bundesheer, kurz BH, zur Stelle. Seine Mission: Friedenseinsatz im Kosovo und auf den Golanhöhen. Schon kurz vor der ersten Nachtruhe, um exakt 23.57 Uhr, werden Stift und Block gezückt: "Ich bin, nach fast 20 Jahren wieder, Soldat."

Korporal Hammerbacher liefert in seinem 350-seitigen Journal weder Camouflage-Romantik noch beinharte, hinters Licht führende Abrechnung mit dem System Militär. Viel eher ist sein Buch "Bravo Hotel" - so die Buchstabiermethode für BH im internationalen Militäralphabet - Chronik eines sozialen Abenteuers, eingebettet irgendwo zwischen Peacekeeping im sensiblen Niemandsland und sinnentleertem Diktat.

"Burschen, Ihr seid freiwillig hier!" Der Kommandant lässt keinerlei Spielraum für Klage und Kritik. Das betrifft sowohl das Putzen eines Toasters mit Wattestäbchen bis zum letzten Krümel als auch Beobachtungen an der Grenze. Mitunter passiert es, dass eine einsame Schafsherde zum Hotspot eines Einsatzes wird. Mitunter passiert es, dass die Patrouille die Tomatenernte syrischer Bauern über Funk an den Stützpunkt meldet: "We are observing 1 tomato field, 5 workers, 1 shepherd, 1 donkey and 48 sheep."

Was den Einblick ins Bravo Hotel, in dieses streng reglementierte Gemeinschaftsleben auf Zeit so wertvoll macht, ist die Tatsache, dass Korporal H. trotz seiner Bereitschaft, sich auf jede noch so abwegige Situation einzulassen ("Ausbildungsschwerpunkt dieser Woche: Pionierdienst. Konkret heißt das, die Unterkunft wird neu ausgemalt."), im Beobachten stets Zivilist bleibt.

Dazu gehört auch die Sprache. H. hat seinen ehemaligen Job in den grünen Rucksack miteingepackt. Immer wieder fliegen (lautlos) Zitate aus Weltliteratur, Popmusik und Alltag durch die Zeilen: "Der Krieg ist kein Abenteuer, er ist nur Abenteuerersatz." (Antoine de Saint-Exupéry) "Give me real, don't give me fake." (Coldplay) "Du, ich bin so geil, was hältst du von einer Nummer im Auto?" (anonym, Spähtrupp an der Alpha Line)

Und dann Fragmente aus dem Soldaten-Jargon, niedergeschrieben aus der Sicht des Außenstehenden, ein Dokument aus der Mitte: Die flauschige Fleecejacke unterm Anorak mutiert zum Pezi-Bären, die Wochenzeitung Furche zur Ritze, die Minarette zu Gebetsraketen. Und wenn nicht gerade ranghoch salutiert werden muss, dann hebt man nicht nur die Flosse zur Stirn, sondern grüßt einander mit einer Verballhornung des längst Bekannten: John Porno statt Buon giorno.

"Bravo Hotel, eine Hotelkette mit zahlreichen Filialen, einigen sogar im Ausland." Die Distanz des empathischen Beobachters tut gut. Nur einmal platzt dem Friedenssoldaten der Kragen, als er einige seiner Kumpane als tumbe Fraktion der Ahnungslosen bezeichnet. Wie schreibt er? "Gesellschaft ist immer auch: Zwangsgesellschaft, hier mehr als sonst wo." Geht an die Substanz. Roger - out. (Wojciech Czaja/ DER STANDARD, Printausgabe, 12./13.2.2011)