Toni Hubmann mit Ei und seinen Produzenten - die haben in seinem Betrieb erstens viel Auslauf und zweitens alles mögliche andere wie Fluchtbäume und Sandbäder.

Foto: Tonis

Käfige, so etwas gab es hier vor vielen, vielen Jahren, als der Vater den Betrieb geführt hatte. Das war damals einfach modern.

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Das glückliche Huhn gibt es also - man glaubt es kaum - nicht mehr nur in der Werbung.

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Toni Hubmann hat vor mehr als zwanzig Jahren den elterlichen Betrieb in der Steiermark übernommen und umgekrempelt. Hubmann hat quasi Biohennen und Bioeier salonfähig gemacht, dann eine Menge Landwirte überzeugt, dass es sich lohnt, strenge Richtlinien zu befolgen. Damals, als die Käfighaltung noch erlaubt war, haben seine Eier viermal so viel gekostet wie die marktüblichen "Legebatterie-Eier". Nicht er hätte zu jener Zeit das Bedürfnis der Konsumenten nach Freilandeiern geweckt, sagt er heute, sondern er hätte den Wunsch der Konsumenten erhört und erfüllt.

Hubmann hat mittlerweile 13 Prozent Marktanteil in Österreich. 2009 hat er begonnen, selbst mit Fertigprodukten zu experimentieren, zum Beispiel mit einem Eieraufstrich, der den Konsumenten bald im Lebensmittelhandel serviert werden soll. Kürzlich erschien sein Buch "Wie wir uns über gute Lebensmittel freuen können, Bauernhöfe keine Fabriken werden und was sich dafür ändern muss". Geschrieben hat er es, wie er sagt, für den Konsumenten, "weil der sich nicht zurücklehnen darf, sondern sich aufraffen und irgendwo deponieren soll, was er will."

derStandard.at: Weihnachten liegt schon ein bisschen zurück und Ostern rückt näher. Wie spornen Sie Ihre Hendln da zu Höchstleistungen an?

Toni Hubmann: Der Absatzschwerpunkt fängt bei uns schon im November an, also mit der Backzeit. Vor Weihnachten geht es bei uns rund. Die österreichischen Hausfrauen backen wirklich, wie wir merken. Jetzt bereiten wir uns auf Ostern vor. Vier Wochen vor Ostern färben wir die meisten Eier.

derStandard.at: Wie bremsen Sie das Federvieh dann nach Ostern ein?

Hubmann: Da werden die Stallungen gereinigt, die jungen Hennen kommen hinein und werden aufgezogen. Diese Umstellung dauert ungefähr zwei Monate. Das ist immer schon so gewesen. Im Sommer geht der Absatz um 30 Prozent zurück.

derStandard.at: Alle Jahre wieder werden zu Ostern auch ziemlich viele Eier importiert. Das eine oder andere schwarze Schaf legt dann quasi der Branche ein Ei, indem ausländische Eier als heimische verkauft werden. Im Vorjahr hat zum Beispiel ein oststeirischer Betrieb polnische Eier als inländische Eier ausgegeben. Was war da los?

Hubmann: Das hat sich nach Ostern abgespielt. Aber es hat sich dann herausgestellt, dass er das über ein Jahr betrieben hat. Einen ähnlichen Fall hatten wir ein paar Jahre zuvor.

derStandard.at: Gibt es Lücken in der Kontrolle? Wie führt die AMA ihre Überprüfung durch, wenn niemandem auffällt, dass rund dreißig Eierlieferanten zehn Monate lang pro Monat im Schnitt je 13.500 Eier mehr geliefert haben müssten?

Hubmann: Na, die haben ihre Aufzeichnungen unsachgemäß abgeliefert. Das hat keine Kontrollstelle gesehen. Das war eine Kontrolllücke.

derStandard.at: Der Depp ist dann der Konsument, der, wie damals geschehen, österreichische Eier aus Bodenhaltung einkauft und polnische Legebatteriehendl-Eier bekommt. Wie wirkt sich so etwas auf die Branche aus?

Hubmann: Für mich ist es wichtig, dass es diese Kontrollen gibt und dass alle Betriebe nach bestimmten Regeln arbeiten, um eine gewisse Sicherheit für den Konsumenten zu gewährleisten. Denn ohne Vertrauen geht das nicht. Aber man muss die Kontrollsysteme immer wieder einmal anschauen. Ich würde es als gut und wichtig empfinden, dass man diese Kontrollsysteme weg von der bäuerlichen Einflusssphäre hin zum Konsumenten gibt, denn der Konsument hat das stärkste Interesse, dass das Ganze stimmt. Da bin ich ganz anderer Ansicht als die AMA und vor allem die Landwirtschaftsvertreter. Ich glaube zu spüren, dass im derzeitigen Kontrollsystem zwar immer wieder etwas entdeckt wird, aber der Wille nicht da ist, das Ganze lückenlos darzustellen. Gibt es einen Vorfall, bemerke ich, dass alle Beteiligten sofort nur ein Interesse haben, nämlich, dass er nicht in die Öffentlichkeit kommt. Aber wenn etwas in die Öffentlichkeit kommt – so wie beim Weinskandal – werden neue Regelwerke geschaffen. In diesem Fall hat man die Kontrolle aus dem bäuerlichen Einflussbereich weggenommen und in eine staatliche Weinkontrollstelle verlagert, die tadellos funktioniert.

derStandard.at: Wie vertrauenswürdig ist also das AMA-Gütezeichen auf Ihrem Sacherwürstel, das Sie gerade vor sich am Teller haben?

Hubmann: Na da weiß ich, dass 50 Prozent der Säue, die in Österreich geschlachtet werden nicht in Österreich produziert werden. Da fühle ich mich momentan nicht sicher. Obwohl es mir ehrlich gesagt wurscht ist, wenn da jetzt eine deutsche Sau drinnen ist. Aber wenn der Konsument österreichisches Schweinefleisch genießt, möchte er ein österreichisches haben, das muss man sicherstellen. Ob die Landwirtschaftsvertreter das besonders gut können? Die Konsumentenvertreter würden es wohl besser können.

derStandard.at: Solche Vorschläge machen Sie jetzt, wo sich der Staat wieder einmal diverser Aufgaben entledigen will?

Hubmann: In meinem Buch beschreibe ich das ganz genau. Wenn wir die nächsten zwanzig Jahre mit den Konsumenten Dinge aufbauen wollen, dass wir zum Beispiel nicht das billigste Produkt produzieren, sondern Produkte, die der Konsument haben will, wie Freilandeier, Bergbauernmilch, gutes Rindfleisch, warum arbeiten wir nicht noch stärker mit dem Konsumenten zusammen – und binden ihn in die Kontrolle ein? Würden wir das Geld, das wir jetzt für die privatrechtlichen Kontrollstellen aufwänden, in eine staatliche Organisation geben – was ja vorgesehen ist mit dem neuen Gütezeichengesetz – würden wir für den Konsumenten eine bessere Situation schaffen. Die Bauernvertreter tun zwar immer so, als ob sie mit den Konsumenten im Einvernehmen wären, aber wenn Missbrauchsfälle ans Tageslicht kommen, das haben sie nicht gern.

derStandard.at: Stichwort Konsument: Sie hatten ja vor fast zwanzig Jahren die damals ziemlich exotische Idee, artgerecht produzierte Eier unters Volk zu bringen und damit entgegen der damaligen Einschätzung der Branche auch ökonomisch Erfolg. Heute scheint Bio an eine Grenze zu stoßen. Hat man das Marktpotenzial ausgeschöpft?

Hubmann: Wir haben in den letzten paar Jahren eine ziemliche Umstellung erlebt. Das Hendl, das gequält im Käfig sitzt, hat mittlerweile jeder vor Augen. Das ist jetzt in Österreich auch abgeschafft. Damit hat man für europäische Verhältnisse sehr rasch zeitgleich mit Deutschland die gesamte Käfighaltung mit kleinen Ausnahmen abgeschafft. In der Schweiz gibt es das auch nicht. Das ist mittlerweile der Wille des Konsumenten, und Konsens auch bei Bauernvertretern. Vor zwanzig Jahren wurde ich da noch beschimpft, 'schleich dich heim, bist ja vollkommen unmodern'. Wir wollen mit Weltmarktpreisen produzieren, hat es damals geheißen.

derStandard.at: Wie hat sich das auf die Betriebe ausgewirkt?

Hubmann: Früher hat so ein Latschenberger (Anm. Geflügelbauer) 500.000, 600.000 oder auch bis zu einer Million Hendln gehalten, jetzt hält ein größerer Bauer vielleicht 100.000. Bei mir liegt der Schnitt bei 2.000 Tieren aus 200 bäuerlichen Betrieben. Freilandhaltung kann man nicht so groß machen, Bodenhaltung lässt schon wieder größere Stallungen zu. Der Latschenberger wird seine Stallungen jetzt umbauen und schlussendlich drei-, vierhunderttausend Bodenhaltungshendeln haben. Wobei: Bodenhaltung ist nichts anderes, als dass ich die Hendln nicht mehr in so einem kleinen Käfig halte, sondern in einem großen Stall. Sie haben dann Sitzstangen und einen Scharrraum, die Grundbedürfnisse werden also erfüllt.

derStandard.at: Ihre Hühner haben Sandbad, Weidefläche und "Fluchtbäume" (Anm.: damit sie nicht hysterisch werden, wenn ein Flugzeug die Anlage überfliegt) viel Auslauf, Tageslicht und im Stall fünfmal mehr Platz, als es das Gesetz vorschreibt, Stroh und Erde zum Scharren. Ist der Konsument bereit, dafür zu bezahlen?

Hubmann: Diese Bedingungen sind sehr artgerecht. Wir gehen damit über die gesetzlichen Voraussetzungen und bieten das europäische Toplevel. Der Konsument kann das sehr wohl bewerten.

derStandard.at: Wieviel Platz haben Ihre Hühner?

Hubmann: Wenn ich im Stallgebäude vielleicht 1.500 Hendln unterbringe, brauche ich 15.000 Quadratmeter Auslauffläche, für jede Henne zehn Quadratmeter.

derStandard.at: Heute verkauft ihr Unternehmen Toni's Freilandeier jährlich rund 100 Millionen Eier. Wie hoch ist der Anteil der artgerecht produzierten Eier in Österreich?

Hubmann: Von den rund fünf bis sechs Millionen Hennen in Österreich sind das rund eine Million. Also rund 20 Prozent. Wir haben jedes Jahr leichte Steigerungen.

derStandard.at: 250 bis 280 Eier legt ein Freilandhendl im Laufe seines Lebens. Hühner, die keine Eier mehr legen, dürfen noch ein Jahr lang scharren, picken und glücklich sein. Dann geht's ab in den Kochtopf. Wieviel legt ein weniger glückliches Huhn?

Hubmann: Wenn eine Henne immer wieder die gleichen Bedingungen hat, die wie in einem Labor hochgehalten werden, und keine negativen Einflüsse wie Krankheiten, schlechtes Futter oder Ähnliches dazukommen, dann kann diese "Laborhenne" unter besten Bedingungen über 300 Eier legen. Flucht, Kälte, Angst beeinflussen die Legeleistung, sodass wir mit unserer Haltung weniger Eier haben, als es möglich wäre. Andrerseits haben die Hennen durch die artgerechte Haltung eine längere Lebensleistung, und durch die Bewegung sind sie auch robuster, also weniger anfällig für Krankheiten. Jeder unserer Betriebe ist also zufrieden, wenn er diese 280 Eier zusammenbringt.

derStandard.at: Wie sehr treffen Sie Ereignisse wie die Vogelgrippe und das Freilaufverbot vor ein paar Jahren?

Hubmann: Da haben die Hendln wirklich weniger gelegt, waren nervös im Stall und haben gewartet, dass sie wieder hinausdürfen. Das war eine Katastrophe. Verdient hab ich damals nichts.

derStandard.at: Sie haben ja quasi Biohennen und Bioeier salonfähig gemacht, dann eine Menge Landwirte überzeugt, dass es sich lohnt, strenge Richtlinien zu befolgen. Dazu zählen viele Kontrollen, selbst auferlegte Hygienevorschriften und Haltungsbedingungen, die die gesetzliche Regelung teilweise übertreffen. Wie kam es dazu?

Hubmann: Kurz gesagt: Ich bin als Sechsjähriger in einem Hühnerstall mit 100 Hühnern herumgelaufen. Der Betrieb ist dann von meinem Vater in Bodenhaltung modernisiert worden und schließlich in Käfighaltung. Wie ich dann den Betrieb übernommen habe, hab ich diese Käfige wieder entfernt, weil mir damals Menschen erklärt haben, dass das so nicht in Ordnung ist. Da gab es Leute, die mir erzählt haben, dass die Hühner leiden und wenn Du Dir das dann anschaust, siehst Du das auch. Damals habe ich mich auf Schafzucht konzentriert und die Hühner nebenbei gehalten, in Freilandhaltung, wie das mein Großvater gemacht hat.

derStandard.at: Bevor die Käfighaltung Anfang 2009 in Österreich verboten wurde, kosteten Ihre Erzeugnisse dreimal so viel wie andere Eier. Trotzdem fanden sie reißenden Absatz. Wie wichtig ist das Preisargument im Lebensmittelbereich?

Hubmann: In meiner Theorie ist das alles ganz anders. Ich glaube, wir sollten uns nicht damit beschäftigen, ob teuer oder nicht teuer. Wenn jemand die billigste Butter will, wird er irgendwo in Österreich auch die billigste europäische Butter einkaufen können. Er kann aber auch doppelt so viel zahlen, weil es etwas Besonderes, meinetwegen eine Almbutter ist. Lassen wir doch den Konsumenten entscheiden. Ich kann ja auch einen Wein um 30 Euro oder eben 3,50 kaufen. Kaufe ich den um 30 Euro, will ich natürlich keinen zusammengepanschten haben, sondern die Sicherheit, dass es sich um Qualität handelt, das ist alles. Der Konsument entscheidet mit den Aufträgen, die er vergibt.

derStandard.at: Wieviel darf das billigste Ei kosten?

Hubmann: Naja, bei 15 Cent verdient halt keiner mehr was. Und man kennt das Einkaufsverhalten der Leute, die kein Geld haben, ganz genau. Die kaufen vor allem Nudeln, Pizza und Fertigprodukte. Wer ein ordentliches Ei haben will, zahlt auch 50 Cent. Der berühmte Satz der Landwirtschaftsvertreter 'der Konsument will nichts zahlen', stimmt nicht. Die Bauernvertreter sollten ein bisschen mehr mit den Konsumenten kommunizieren.

derStandard.at: Der Dioxin-Skandal aus Deutschland ist an Österreich vorbeigezogen. Unzählige Betriebe aus Deutschland haben verseuchtes Futtermittel gekauft. Wie kann der heimische Konsument sicher sein, dass die österreichischen Betriebe nicht betroffen sind?

Hubmann: Das ist ziemlich einfach. Der erste Dioxinskandal in Österreich ist schon über 15 Jahre her. Der hat damals ein Futtermittelwerk vernichtet. Dioxin kann man ja auf vielfältige Weise erwischen. Damals haben aber alle gesehen, wie schnell das geht mit dem Dioxin. Und man hat auch gewusst, wie es hineingekommen ist. Im Vorjahr in Deutschland ist das etwa durch russisches Getreide eingeschleppt worden. Die Russen haben das aber immer abgestritten. Wie es wirklich war, weiß auch keiner. Die Fette, die jetzt Verursacher waren, werden aber in Österreich nicht verwendet, weil dieses Fett nur dazu gut ist, die Energie zu erhöhen. Wenn ich aber Mais füttere, wie in Österreich, brauche ich kein Fett. Außerdem haben wir in Österreich die lässige Situation, dass wir, wenn wir fünf Futtermittelwerke anschauen, 90 Prozent der Menge kontrolliert haben. Das hat die Ages mit dem Gesundheitsministerium voll im Griff.

derStandard.at: In der Gastronomie oder beim Bäcker macht mir niemand Bio- und Freilandeier schmackhaft. Gibt es die dort noch nicht?

Hubmann: Eier kaufen die Gastronomen wie Zahnstocher oder Salz. Wenn in der Küche bei der Vanillesoße Käfigeier aus Lettland hineingeschmissen werden, bekommt der Konsument heraußen das nicht mit. Bei den Bäckern war die Wirtschaftskammer dagegen. Das wollten wir schon vor fünf Jahren.

derStandard.at: Greenpeace, Vier Pfoten, Audimax-Besetzung – Uni brennt, haben Sie bei Facebook unter 'gefällt mir' angeführt. Sagen Sie mir, wie geht sich denn das mit Unternehmertum in Österreich aus? Da machen Sie sich in der nicht Branche sicher nicht nur Freunde?

Hubmann: Glauben Sie, dass ich in der Branche gerne gesehen bin? Aber sie müssen mich aushalten. Wir haben in Österreich bei Schaleneiern rund 13 Prozent Anteil am Marktvolumen. Also sind wir schon rein optisch da. Aber: Ich unterbiete niemanden. Die Dinge, die wir machen, sind immer beispielgebend für die anderen. Sie müssen dann die dummen Standards, die wir gemacht haben, einhalten. Wir haben zum Beispiel die Salmonellenvermeidungsprogramme vor über zwanzig Jahren gestartet, die jetzt zu einem Gesetz geworden sind.

derStandard.at: Zum Abschluss: Was macht bei den Eiern die Farbe?

Hubmann: Braun sind fast alle. Wir haben auch grünschalige Eier. Kommen von Babette, das ist eine besondere Rasse, die nicht so hochgezüchtet ist, weniger legt, und die Eier sind auch kleiner und schmecken auch anders. Das Ohrlapperl der Henne macht übrigens die Eierfarbe. Das ist kein Schmäh. (Regina Bruckner, derStandard.at, 15.02.2011)