Mary Wollstonecraft Shelley (1797 - 1851) steht mit ihrem Buch "Frankenstein" in der Tradition der Schwarzen Romantik.

Foto: Buchcover

Frankenstein-Ausgabe (Lion Book) aus dem Jahr 1953.

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Es ist eines der bekanntesten Bücher der Welt und könnte - beinahe hundert Jahre nach seinem Erscheinen - aktueller nicht sein: "Frankenstein or A Modern Prometheus" nimmt als eine Art Science Fiction-Grusel-Schocker die künstliche Erschaffung des Menschen mittels Gentechnik vorweg. Auch wenn das Monster streng genommen nicht aus der Retorte stammt, so ist es doch biologisch  - aus Leichenteilen - geschaffen. Mary Wollstonecraft Shelley schickt den "modernen Prometheus" Viktor Frankenstein als Warnung aus, was passieren kann, wenn versucht wird, die Geheimnisse des Lebens zu lüften. Die Geschichte könnte sich in ihr Gegenteil kehren und der Schöpfer vom Geschöpf verschlungen werden. So heißt es auch schlussendlich im Roman: "Du bist mein Schöpfer, doch ich bin dein Herr".

Umkehr ins Gegenteil

Neben dieser Artikulation von Ängsten aufgrund "verbotener" Eingriffe in die (menschliche) Natur und dem Plädoyer an die Verantwortung der Wissenschaft für die Schöpfung, geht es auch um Hoffnung. Die Hoffnung bzw. der Glaube an das grundlegend Gute im Menschen. Oder wie es Jean Jaques Rousseau formuliert hat: im Urzustand sei der Mensch ein unbeschriebenes Blatt, in das die Gesellschaft nach und nach "das Zeugnis ihrer eigenen Verderbtheit" einpräge.

Frankensteins Geschöpf sollte ein strahlender Übermensch sein. Doch heraus kam ein äußerlich abstoßendes Monster, das aufgrund seiner Verstoßung durch die Gesellschaft auch innerlich zu einem Monstrum geworden ist. Innerhalb eines Jahres wird die Verwandlung literarisch dargestellt: vom "edlen Wilden" zum gebildeten, aber ungeschlachten und durch ständige Zurückweisung verbitterten Schreckgespenst. Seine unerwiderte Liebe verkehrt sich zu Hass ... und es fordert nun unerbittlich sein Recht auf Glück und Liebe. Doch Frankenstein ist weder fähig noch willens, die Bedürfnisse seines Geschöpfes zu befriedigen und wird zum Opfer seiner eigenen Hybris ...

Berühmte Mutter

Mary Wollstonecraft Shelley wird am 30. August 1797 in London als Tochter der brühmtesten Frauenrechtlerin ihrer Zeit, Mary Wollstonecraft, und des Schriftstellers William Godwin geboren. Die "Hyäne in Unterröcken", wie ihre Mutter genannt worden ist, hatte "A Vindication of the Rights of Women" (1791) publiziert und ohne jeden finanziellen Rückhalt eine Mädchenschule gegründet. Nur elf Tage nach der Geburt stirbt sie noch im Kindbett und Mary wächst zusammen mit ihrer älteren Schwester Fanny, die später Selbstmord beging, in ärmlichen Verhältnissen auf. Schon als Mädchen verfasst sie Gedichte und Romane.

Freies, aber leidvolles Leben

Noch keine 17 Jahre alt, lernt sie den jungen Dichter Percy Shelley kennen. Von seinem Intellekt und seiner Freiheitsliebe fasziniert, brennt sie mit ihm kurze Zeit später durch. Sie reisen durch Europa, wo sie Deutsch, Französisch und Griechisch lernt. Als sie 1816, im Jahr ihrer Hochzeit, den Sommer mit Lord Byron am Genfer See verbringen, werden Ideen für Schauergeschichten ausgetauscht. Das ist der Anstoß für Mary Shelleys "Frankenstein", den sie zwei Jahre später publiziert.

Gut ging es ihr dem literarischen Erfolg zum Trotz dennoch nicht. Neben familiären Reibereien, ständiger Geldnot und den Strapazen des permanenten Ortswechsels, leidet sie vor allem unter dem Tod zweier ihrer drei Kinder. 1818 stirbt die kleine Tochter, drei Jahre später der Sohn und sie verblutet fast bei einer Fehlgeburt.  Als 1822 auch noch ihr Ehemann beim Segeln ertrinkt, kommt sie über diese Verluste nie mehr hinweg und erkrankt an Depressionen. Sie bemüht sich, das Andenken ihres Mannes durch das Herausgeben seiner Werke zu ehren. Sie selbst verfasst noch fünf weitere - unbekannt gebliebene - Romane, zahlreiche Essays und Geschichten für Zeitschriften, Reiseliteratur und ein Tagebuch.

Mary Shelley wird über Jahre von unerträglichen Kopfschmerzen geplagt - vermutlich Folgen eines Gehirntumors. Sie stirbt am 1. Februar 1851 in London.
(Dagmar Buchta/dieStandard.at, 20.02.2011)