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Die Arbeitsmarktöffnung steht bevor, das Unterlaufen von kollektivvertraglichen Mindestlöhnen in Österreich soll ab 1. Mai 2011 erstmals auch verwaltungsstrafrechtliche Folgen haben.

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Wien - Das Unterlaufen von kollektivvertraglichen Mindestlöhnen in Österreich soll ab 1. Mai 2011 erstmals auch verwaltungsstrafrechtliche Folgen haben. Der Begutachtungsentwurf zum Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping passieret nach monatelangen Tauziehen heute Dienstag den Ministerrat. Demnach soll die Betrugsbekämpfungsbehörde KIAB die Einhaltung von KV-Löhne kontrollieren. Die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und im Baubereich die Bau- und Urlaubskasse (BUAK) sollen die Berechnung der Löhne vornehmen. Anlass für den Gesetzvorschlag ist die Öffnung des Arbeitsmarktes für Arbeitnehmer aus den neuen EU-Mitgliedstaaten, die der Union 2004 beigetreten sind.

Im Vergleich zum Begutachtungsentwurf wurde im Wesentlichen der Strafrahmen überarbeitet und letztendlich herabgesetzt. So würden den Unternehmen bei Unterbezahlung von Arbeitnehmern Verwaltungsstrafen von 1.000 bis 50.000 Euro drohen, im ursprünglichen Entwurf waren 5.000 bis höchstens 100.000 Euro vorgesehen.

Verdoppelung im Wiederholungsfall

Die Geldstrafe ist nun für jeden unterentlohnten Arbeitnehmer zwischen 1.000 und 10.000 Euro vorgesehen, im Wiederholungsfall soll der Strafrahmen verdoppelt werden, also 2.000 bis 20.000 Euro. Werden in einem Unternehmen mehr als drei Arbeitnehmer unterentlohnt, so sind mindestens 2.000 Euro fällig, höchstens 20.000 Euro. Im Wiederholungsfall müssen Unternehmer dann mit eine Strafe von 4.000 bis 50.000 Euro rechnen. Bei ausländischen Arbeitgebern kann außerdem bei wiederholter Bestrafung die Dienstleistung untersagt werden.

Das Sozialministerium sieht in der Öffnung der Arbeitsmärkte für Bürger der 2004 beigetretenen EU-Mitgliedstaaten eine Verlockung für ausländische Unternehmen, Aufträge durch niedrig kalkulierte Arbeitskosten abzuwickeln. Deshalb wäre ohne Schutzmaßnahmen ein "Lohn- und Sozialdumping" vorprogrammiert, denn das österreichische Lohnniveau sei noch immer deutlich höher als etwa in Ungarn, Tschechien oder der Slowakei, so das Ministerium.

240 Millionen Schaden

Den volkswirtschaftlichen Schaden durch Lohn- und Sozialdumping beziffert das Ministerium auf jährlich 240 Mio. Euro. Im Gegensatz zu Deutschland gebe es in Österreich bisher keine Lohnkontrolle durch die Verwaltungsbehörden. Arbeitnehmer müssen in Österreich derzeit eine Unterbezahlung gerichtlich einklagen.

Den Behörden werden Betretungs-, Einsichts- und Befragungsrechte eingeräumt. Kontrolliert werden soll nur der Grundlohn. Ausländische Unternehmen müssen künftig Lohnunterlagen in deutscher Sprache bereithalten. Außerdem wird die WGKK eine Verwaltungsstrafevidenz führen. Die Regelungen sollen auch für die Land- und Forstwirtschaft umgesetzt werden. Zwei Jahre nach der Einführung ist eine Evaluierung des Gesetzes geplant. Widerstände gegen das geplante Gesetz gab es vor allem von der Wirtschaftskammer, der Industriellenvereinigung und dem Wirtschaftsbund.

Hundstorfer: "Meilenstein"

Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat das Gesetzesvorhaben gegen Lohn- und Sozialdumping als "Meilenstein" der Sozialgesetzgebung der letzen Jahre bezeichnet. "Lohn- und sozialrechtliche Ansprüche zu umgehen ist kein Kavaliersdelikt und muss entsprechend hart sanktioniert werden", sagte er in einer Aussendung vom Dienstag.

Mit dem Gesetz will Hundstorfer "eine Nivellierung des Lohnniveaus nach unten" vermeiden. "Gute Arbeit muss auch gut bezahlt werden." Vom dem Gesetz würden neben den Arbeitnehmern auch alle ehrlichen Betriebe profitieren, denn das wäre ein Beitrag für einen fairen Wettbewerb. 

Gewerkschaften zufrieden

Zufrieden sind auch die Gewerkschaften. Sie sehen die Arbeitnehmerrechte und den fairen Wettbewerb in Österreich gestärkt. Die Wirtschaftskammer spricht von "vertretbaren" Maßnahmen. Kritik am Gesetzesvorhaben kommt von der FPÖ und den Grünen. Das Gesetz soll ab 1. Mai 2011 in Österreich gelten und sieht erstmals Verwaltungsstrafen für das Unterschreiten von kollektivvertraglichen Mindestlöhnen.

Für Bernhard Achitz, Leitender Sekretär des ÖGB, ist die Arbeitsmarktöffnung ab 1. Mai 2011 "kein Grund zum Fürchten". Mit dem geplanten Gesetz sollen Arbeitnehmer, "egal ob aus Österreich oder aus dem Ausland, vor Unterentlohnung und Ausbeutung geschützt werden", so Achitz. Gleichzeitig verteidigt er das volle Ausschöpfen der Übergangsfristen, um "die Wirtschaft in den Grenzregionen vorzubereiten". Im Falle Bulgariens und Rumäniens plädiert Achitz für das Beibehalten der siebenjährigen Übergangsfrist bis Ende 2013.

"Gleicher Lohn für gleiche Leistung - dieser Grundsatz gilt nun in Österreich", egal woher die Arbeitnehmer stammen, so vida-Vorsitzender und ÖGB-Arbeitsmarktsprecher Rudolf Kaske.

Die Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Anna Maria Hochhauser, spricht in einer Aussendung von "vertretbaren" Maßnahmen im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping. Es sei entscheidend, dass das Paket Instrumente enthalte, mit denen österreichische Standards auch gegenüber ausländischen Firmen durchgesetzt werden können. Damit werde ein "fairer Wettbewerb" abgesichert.

Verantwortung abgeschoben

Die FPÖ kritisiert, dass Hundstorfer die Verantwortung für Kontrollen an die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) abschiebe. Die für Österreich schädliche Öffnung des Arbeitsmarktes sollen offenbar wieder einmal die Krankenversicherten bezahlen, kritisiert die FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein.

Teilweise kritisiert wird die Regierungsvorlage auch von den Grünen: Es werde nur ein Teil des Endlohnes kontrolliert. In einigen Branchen würden Zulagen einen wesentlichen Entgeltbestandteil darstellen, so Birgit Schatz, Arbeitnehmersprecherin der Grünen. "Der vermeintliche 'Meilenstein' erzeugt durch diesen Mangel einige Schlaglöcher und Hindernisse im wirklichen Kampf gegen Lohndumping", so Schatz. Sie fordert eine flächendeckende Mindestlohnregelung.

Die Überprüfung der Lohnhöhe soll von der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), im Baubereich von der Bau- und Urlaubskrankenkasse (BUAK) durchgeführt werden. "Die Wiener Gebietskrankenkasse nimmt die Herausforderung gerne an", so WGKK-Obfrau Ingrid Reischl. Ihre Kernaufgabe sieht die WGKK in der Überprüfung des korrekten Lohns von Mitarbeitern, die von ausländischen Arbeitgebern nach Österreich entsendet bzw. überlassen werden. (APA)