Streitobjekt seit elf Jahren: Egon Schieles "Häuser am Meer" hatte einst Jenny Steiner gehört. Die Erben fordern es vom Leopold-Museum zurück.

Foto: Privatstiftung Leopold

Wien - Vor nun schon elf Jahren, am 16. März 2000, berichtete der Standard das erste Mal über das Gemälde Häuser am Meer von Egon Schiele, das bis 1938 der Unternehmerin Jenny Steiner gehört hatte. Denn die Erben forderten damals das Bild von der Privatstiftung Leopold zurück. Rudolf Leopold meinte, er bedauere den Fall. Und seine Frau Elisabeth erklärte in einem Brief, dass man bereit sei, über den Anspruch nachzudenken "und eine gute, für beide Teile befriedigende Lösung anzubieten" - in Form eines Vergleichs

Eine Einigung kam aber nie zustande. Denn Rudolf Leopold bot für die Häuser am Meer, die 1993 im Zuge der Gründung der Stiftung auf 180 Millionen Schilling taxiert worden waren, maximal sechs Millionen Euro an - sprich die Hälfte des einstigen Schätzpreises. Die Israelitische Kultusgemeine (IKG) aber forderte die Naturalrestitution. Sie repräsentiert die Erben nach Klara Mertens und Daisy Hellmann. Die Erbin nach Anna Weinberg, der dritten Tochter von Jenny Steiner, hingegen wird von Alfred Noll vertreten: Hoch betagt, hatte die Enkelin nichts gegen eine Abfindung einzuwenden. Ihr erschien nur die Summe nicht adäquat.

Im Standard vom 23. Juli 2010, einen knappen Monat nach dem Tod des Sammlers, unterbreitete dessen Sohn Diethard Leopold einen erstaunlichen - aber mit dem Stiftungsvorstand nicht akkordierten - Vorschlag: "Wir versteigern das Werk. Und der Erlös wird zwischen den Erben und der Stiftung in einem bestimmten Verhältnis aufgeteilt." Diese Vorgangsweise sei sinnvoll, weil niemand wisse, wie viel das Bild wert ist. Es könnte 25 Millionen Euro bringen - oder noch mehr.

Der Vorschlag erschien vernünftig. Auch der IKG und den beiden Erbengruppen, die vom Anwalt Martin Maxl vertreten werden: "Aufgrund der neuen Situation haben wir uns gesagt: Gehen wir von der Forderung nach Naturalrestitution weg, versuchen wir einen Neustart."

Gerüchteweise besteht die IKG darauf, den Erlös im Verhältnis 80:20 zugunsten der Erben aufzuteilen, der Vorstand der Leopold Stiftung hingegen pocht auf 50:50. Doch man kam gar nicht so weit, sich auf einen Kompromiss zu einigen. Denn, so Maxl: "Diethard Leopold ist von seinem eigenen Vorschlag abgerückt. Der Vorstand will nun keine Auktion, sondern das Bild behalten und einen Wert festlegen. Das ist nicht tragbar. Nur eine Auktion schafft Transparenz. Und der Erlös soll in einem Verhältnis geteilt werden, das der Sache gerecht wird. Also: Der überwiegende Teil gebührt den Erben. Es ist nicht einzusehen, warum das Museum von Raubkunst profitieren soll." Zumal das Bild, wäre das Leopold Museum ein Bundesmuseum, restituiert werden müsste. Dies hatte die sogenannte Michalek-Kommission, von SP-Kulturministerin Claudia Schmied eingesetzt, festgestellt.

Republik als Eigentümer

Für Maxl ist es ohnedies ein Quasi-Bundesmuseum: "Die Republik Österreich hat die Sammlung gekauft. Sie finanziert den laufenden Betrieb des Museums. Und sie stellt vier der sieben Vorstandsmitglieder. Die Republik kontrolliert somit das Management. Mit anderen Worten: Sie ist der wirtschaftliche Eigentümer."

Hinzu kommt, dass zwei der drei von Rudolf Leopold nominierten Mitglieder, Diethard Leopold und Andreas Nödl, nur bis Juni 2015 im Vorstand sitzen werden. Lediglich Elisabeth Leopold ist auf Lebenszeit bestellt. "2015 wird sie 89 Jahre alt sein. In absehbarer Zeit besteht der Vorstand daher ausschließlich aus Vertretern der Republik." Für Maxl wäre es daher "eine Option, einfach zuzuwarten, bis das Museum ein Bundesmuseum wird. Dann ist das Gesetz anwendbar. Und dann wird naturalrestituiert."

Dass dies passieren wird, davon ist Maxl überzeugt: "Irgendwann geht es nicht mehr um den Blick des Sammlers auf ein Werk, sondern um Egon Schiele selbst. Es macht durchaus Sinn, Schieles Werke zusammenzuführen. "

Maxls Meinung nach müsse das Museum aber schon jetzt Raubkunst zurückgeben. "Sich auf den Formalismus zurückzuziehen, als Stiftung nicht zur Restitution verpflichtet zu sein, ist ein Skandal! Die Republik brachte mit dem Rückgabegesetz zum Ausdruck: ,Ich möchte an den Wänden der Museen, die in meinem Eigentum stehen, keine NS-Raubkunst hängen haben.' Das sollte auch die Stiftung akzeptieren. Und viel eindeutiger als die Michalek-Kommission kann man es nicht ausdrücken, dass eine Restitution angebracht ist."

Das Angebot der IKG, das man als Paradigmenwechsel bezeichnen kann, sei daher entgegenkommend. Der Stiftung würde natürlich gestattet werden, das Bild als Einbringer zu ersteigern.

Abschließend ruft Maxl den Fall Bildnis Wally in Erinnerung: "Die Stiftung hatte elf Jahre Zeit, es zu restituieren. Stattdessen hat man auf dem Rücken der Republik einen Rechtsstreit ausgetragen - um im Endeffekt den Marktpreis zu bezahlen. Zusätzlich fielen Millionen Euro an Anwaltskosten an. Der Vorstand sollte aus diesem Fall gelernt haben." (Thomas Trenkler/ DER STANDARD, Printausgabe, 25.2.2011)