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Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (links und SPÖ) und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (rechts und ÖVP) tragen einen politischen Konflikt entlang der Geschlechtergrenze aus.

Foto: APA / HERBERT PFARRHOFER

Wien - Zum Vorwurf, ihr Entwurf für ein neues Familienrecht sei ein Rückschritt in der Frauenpolitik, sagt Justizministerin Claudia Bandion-Ortner: "Es geht nicht um Frauenpolitik, es geht um Kinderpolitik." Es gehe darum, was das Beste für das Wohl des Kindes sei.

Dieses Kindeswohl kann man durchaus von unterschiedlichen Seiten betrachten: Am Montagvormittag fand die letzte große Arbeitssitzung zur Reform der Sorgerechtsbestimmungen statt. Daran teilgenommen haben etwa 40 Vertreter aus den betroffenen Ministerien, der Volksanwaltschaft, von Frauenorganisationen und Männervereinen, Gewaltschutzzentren und der Familienrichter.

Kritikpunkt Automatismus

Bandion-Ortner beschreibt das so: "Den Frauen ist mein Lösungvorschlag zu weitgehend, den Vätern zu wenig weitgehend." Die Justizministerin, sagt sie, habe nicht damit gerechnet, dass es von allen Seiten Zustimmung geben werde, aber immerhin eine Annäherung konnte sie registrieren. Und ein paar der Kritikpunkte wolle sie durchaus noch in ihren Entwurf einfließen lassen, dann werde sie das politische Gespräch mit Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) suchen.

Was die Frauenorganisationen und auch die Frauenministerin besonders aufregt, ist die automatische gemeinsame Obsorge, die Bandion-Ortner in ihrem Gesetzesentwurf festgeschrieben hat: Im Fall einer Scheidung soll die gemeinsame Obsorge für das Kind oder die Kinder automatisch bei beiden Elternteilen verbleiben. Die Kinder betreffende wichtige Angelegenheiten müssten also weiterhin gemeinsam und im Einvernehmen entschieden werden. "Das ist momentan die Hauptkontroverse", bestätigt auch Ministerin Bandion-Ortner im Gespräch mit dem Standard.

Neu geregelt wird auch das Besuchsrecht, und hier gibt es einen Passus, der Frauenorganisationen besonders stört: Verweigert eine Mutter dem getrennt lebenden Vater das Besuchsrecht, kann der Richter Konsequenzen bis hin zum Entzug des Sorgerechts der Mutter setzen.

Ein kleiner Auszug aus den Kritikpunkten, die am Entwurf zum neuen Kindschaftsrecht vorgebracht werden:

  • Der Österreichische Frauenring empört sich darüber, dass Bandion-Ortner den "Scheidungskrieg auf den Rücken der Kinder" verlagere. Christa Pölzlbauer, Vorsitzende des Frauenrings, meint, dass hier dem Druck einer "kleinen, aber umso aggressiver auftretenden Väterrechtslobby nachgegeben" - und damit ein frauen- sowie kinderfeindliches Backlash-Paket entwickelt worden sei.
  • Die Frauenhäuser beklagen Rückschritte für die jahrzehntelange Frauenhausarbeit. Gewalt, so der Vorwurf, sei kein Kriterium bei der geplanten Obsorge-Regelung. Bei einer Verschärfung des Obsorgegesetzes würde auch Gewalt gefördert.
  • Der Verein Väter ohne Rechte prangert den Feminismus an, der beschäftige sich "lieber nicht" mit Begriffen wie "Recht auf Familienleben" oder "Gleichberechtigung". Für "Väter ohne Rechte" ist die Familienrechtsreform ein "wichtiger Schritt, um familiäre Beziehungen nach einer Trennung zu schützen". Im Übrigen sei die Familienpolitik nicht objektiv, suggeriert der Verein, da wesentliche Positionen von Frauen besetzt seien: Sieben von zehn Kinder- und Jugendanwälten seien Frauen, die Mehrheit der Sozialarbeiter in der Jugendwohlfahrt sei ebenfalls weiblich, dadurch würden Männer benachteiligt.
  • Wiens Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits fordert eine unabhängige Schlichtungsstelle bei Konflikten im Obsorgeverfahren. "Es muss das Ziel sein, das Kindeswohl immer in den Mittelpunkt der Überlegungen zu stellen", sagt Pinterits. Derzeit stehe der Streit und nicht das Gemeinsame im Vordergrund. Die neue Familienrechts-Novelle berge zusätzliches Konfliktpotenzial für Eltern. (Michael Völker, DER STANDARD/Printausgabe 1.3.2011)