Im Fall des Verhütungs-Notfalls: Die "Pille danach" soll sich genauso selbstverständlich in den heimischen Hausapotheken finden wie ein Pflaster, geht es nach ExpertInnen.

Foto: Standard

Wien - ExpertInnen drängen auf einen breiten Einsatz der "Pille danach": "Notfallkontrazeption ist das Äquivalent in der Sexualität zum Verbandskasten im Auto", betonte der Gynäkologe Christian Fiala bei einer Pressekonferenz in Wien. "Zumindest an Jugendliche und sozial Schwache" solle das Arzneimittel, das seit Dezember 2009 rezeptfrei in Apotheken erhältlich ist, sogar gratis abgegeben werden, was "in vielen westeuropäischen Staaten bereits der Fall" sei.

150 ungeplante Schwangerschaften kommen auf 1000 Frauen

"Eine Verhütungspanne kann jeder und jedem passieren", betonte die klinische Psychologin Petra Schweiger aus Salzburg. Ihren Angaben zufolge werden von 1.000 Frauen bzw. Paaren, die ein Jahr lang mit Kondomen verhüten, 150 der Frauen ungeplant schwanger. Bei der Pille sind es 80 ungewollte Schwangerschaften, beim "Aufpassen" sogar 270, mit Hormonspirale nur zwei.

Laut dem Generations and Gender Survey 2008/09 (GGS) verhüten 73 Prozent der Paare in Österreich, aber nur etwa die Hälfte mit einer sehr wirksamen Methode. Sieben Prozent der restlichen Paare haben einen Kinderwunsch, neun Prozent gehen davon aus, dass sie selbst bzw. die/der PartnerIn unfruchtbar sind. Elf Prozent wünschen sich kein Baby, die Frauen sind aber vermutlich fruchtbar und verhüten nicht. Sie gelten mit jenen 27 Prozent der Frauen, die nur mittelmäßig wirksame Verhütungsmethoden anwenden, als Risikogruppe für ungewollte Schwangerschaften.

Unwissenheit über eigene Fruchtbarkeit

Gründe für Verhütungspannen sind laut Schweiger "erschreckend hohes fehlendes Wissen über die eigene Fruchtbarkeit", nicht nur bei Jugendlichen. Dazu kommen seelische Konflikte oder ein ambivalenter, uneingestandener Kinderwunsch sowie unsichere Verhütungsmittel, die Anwendungsfehler begünstigen. Jeder fünfte Mann verwende beispielsweise ein zu großes Kondom. "Mittel, die in der Situation angewendet werden, wie das Kondom und andere Barrieremethoden, haben außerdem ein großes Problem: die Nicht-Anwendung", sagte Bettina Weidinger vom Österreichischen Institut für Sexualpädagogik in Wien: In der "Hitze des Gefechts" werde darauf vergessen.

"Pille danach" keine Abtreibungspille

Die "Pille danach" ist eine Tablette, die 1,5mg des Gelbkörperhormons Levonorgestrel enthält. Es sei weder eine gesundheitliche, noch eine moralische Gefährdung, sie in der Hausapotheke griffbereit zu haben, lautet der Appell der drei Fachleute. Die "Notfallpille" kostet 11,90 Euro und verhindert eine Befruchtung, indem sie den Eisprung unterbindet. Voraussetzung ist eine möglichst frühe Einnahme: innerhalb von 72 Stunden nach dem Geschlechtsverkehr.

87 Prozent der ÖsterreicherInnen finden laut einer Umfrage, dass die "Pille danach" einen hohen Zugewinn an Selbstbestimmung für Frauen bringe, berichtete Schweiger. Allerdings glaubten 75 Prozent der Befragten fälschlicherweise, es handle sich um eine Abtreibungspille: Wenn eine Schwangerschaft bereits eingetreten ist, wird diese durch die "Notfallpille" aber nicht beendet - der wesentliche Unterschied zum medikamentösen Abbruch mit "Mifegyne".

Kein Missbrauch zu befürchten

Laut WHO könne die "Pille danach" von allen Frauen ohne Einschränkung eingenommen werden. Missbrauch sei nicht zu befürchten, meinte Weidinger: "Wer schneidet sich schon in den Finger, nur um das Pflaster endlich verwenden zu können?" (APA)