Foto: Trost Records

Man kann es sich ja kaum vorstellen, aber es gibt Bands, die über Jahre ein göttliches Album nach dem anderen veröffentlichen, ohne sich zu wiederholen. So eine Formation war die aus Tucson in Arizona stammende Band Giant Sand, die zu ihrem 25-jährigen Jubiläum ihr Frühwerk mit Bonusmaterial neu auflegt. Im Moment sind die ersten sechs Alben draußen - fünf davon sind großartig.

Giant Sand waren Howe Gelb und John Convertino, erweitert um Gelbs Frau und Gäste, die die Band als offenes System präsentierten. Giant Sand gelten als Mitbegründer des Desert Rock, der sich dem trockenen Country der Wüste mit dem Esprit und der Energie des Punk widmete - ohne in Cow-Punk abzudriften, mit dessen Früchten heute Dumpfgummis wie Volbeat Hallen füllen.

Giant Sand vollzogen einen Spagat zwischen Traditionalismus und verspieltem Irrsinn, der auf The Love Songs (1988) vollständig erblühte. Unterstützt von Chris Cacavas an der Orgel entwarfen sie einen (Country-)Rock, der atemberaubende Haken schlug, sich beständig in neue stilistische Gewänder hüllte - ohne seine Identität aufzugeben. So ist The Love Songs laut, leise, kantig, elegant, durchgeknallt - dabei anziehend wie der Kerzenschein für die Motte.

Gelb geht jeder Idee, jeder Assoziation einfach nach. Und nur ein Drummer wie Convertino, der später mit Joey Burns, einem anderen Absolventen der Giant-Sand-Schule, Calexico gründen sollte, konnte Gelb dabei folgen.

Die Sprunghaftigkeit erdete Cacavas mit fetter Orgel, Gelb selbst mit diversen Gitarren-Pedalen oder Konserven-Bläsern wie im repetitiven Kleinod Fingernail Moon, Barracuda And Me. Dazwischen reichte er wilde Songs wie Mountain Of Love oder Love Like A Train, für das er das Wah-Wah-Pedal bis zum Anschlag durchtrat, als wäre er in einem Song von Dinosaur Jr. Bevor das Originalalbum endet, raucht sich Gelb noch einen Ofen an, wischt und raunzt sich durch einen bekifften Schleicher, der am Ende in einen Barjazz-Ausflug mündet.

23 Jahre nach seinem Erscheinen ist The Love Songs immer noch ein Werk zwischen Genie und Wahnsinn. Die ersten sechs Giant-Sand-Alben sind als CD und auf Vinyl neu erhältlich und im Vertrieb bei Trost Records, bis auf Swerve kann man sie alle blind kaufen. (flu/ DER STANDARD, Printausgabe, 4.3.2011)