Wie wird man die beherrschenden Dämonen wieder los? Michael Nitsches übereinandergetürmte Affen geben ihrem Lebensatem Gestalt, gebären ihre Monster (Zeichnung 2010/11).

Foto: Galerie Michaela Stock

Wien - Es ist ein Gespann, das Entsetzen und Irrsinn sehr nahe ist; Aufgerissene Mäuler und Augen der Kreaturen wirken ebenso verletzlich wie angriffslustig: Der Taube und der Blinde heißt dieses befremdliche Huckepack-Duo. Es sind Mischwesen, die beim Betrachter ebenso gemischte Gefühle hinterlassen. Tiere? Obwohl es immer wieder Lämmer, Affen, Bären, Elefanten oder tierisch anmutende Hybride sind, die in Michael Nitsches Skulpturen und Zeichnungen auftauchen und ihre triebhafte Seite nicht verhehlen, sind sie nicht animalisch. Das, was sie quält, sie antreibt, ihnen Freude bereitet, was sie teilweise so abstoßend macht, ist nicht das Tier, sondern der Mensch in ihnen.

In seiner zweiten Soloschau in der Galerie Michaela Stock hat der deutsche Künstler (geb. 1961) seine Plastiken vor eine Wand mit jüngsten Zeichnungen gebettet, in denen er aktuell sehr existenzielle Themen umkreist: Wesen, die mit Schädeln und gruseligen Schatten Zwiesprache halten, die - manchmal kopflos - Ruhe, Halt und Kraft suchen auf viel zu großen Elefantenfüßen. Stelzen, die jedoch, ihren blutigen Ursprung nicht verhehlend, immer Ausdruck peinvoller Erfahrungen sind.

Werden und Vergehen sind Nitsches Themen. Sie suchen sich verschlüsselte Wege und greifen in seinen Plastiken Raum: Aus Kunstfellen, Plüschtieren,Plastikknöpfen, aber auch aus natürlichen Materialien sind sie zusammengesetzt. Oft sind Details wie Geweihspitzen oder Knochen verarbeitet, die die Figuren näher mit der Realität verknüpfen, die imitieren und sich so einer Authentizität annähern. Fertig sind die Arbeiten jedoch erst, wenn sie mit Paraffin getränkt sind: Wie bei einem gebadeten Hund scheint dann das Fell an den Wesen zu kleben. Es ist eine Art Geburtsschleim, der bei dieser Mensch- oder Kreaturwerdung für das steht, was ein beseeltes und damit verletzliches Wesen ausmacht. (Anne Katrin Feßler/ DER STANDARD, Printausgabe, 3.3.2011)