Klagenfurt - Es gibt Offiziere, die ständig unbequeme Fragen stellen. Das kann in einem Einsatz entscheidend dafür sein, dass fehlerhafte Überlegungen erkannt und potenziell desaströse Befehle gar nicht erst gegeben werden. Der Karriere ist es halt nicht immer förderlich, schon gar nicht in Friedenszeiten. Thomas Starlinger lässt sich dennoch nicht davon abbringen, infrage zu stellen, was er für eine Fehlentwicklung hält. Die Wehrpflicht hält er für eine solche.

Und das nicht erst seit gestern. Schon im Jahr 2000, als er den Generalstabskurs besucht hat, gelangte er zur Überzeugung, dass das damals geltende Wehrpflichtsystem (es schloss noch zwei Monate Milizübungen nach sechs Monaten Grundwehrdienst ein) das Bundesheer in die Pleite führen müsse: Die Fixkosten für Personal und Betrieb würden bald das gesamte Budget verschlingen.

Seither wurde das System noch einmal verschlechtert - sechs Monate Dienst am Stück, um Soldaten auszubilden, die nachher nicht mehr verwendet werden. In der Zwischenzeit hat der unbequeme Querdenker Starlinger Karriere gemacht, mehrere Auslandseinsätze absolviert und ist schließlich als Kommandant von 3700 Soldaten der 7. Jägerbrigade in Klagenfurt gelandet.

Dort propagiert er, was er als einen "radikalen Schnitt" bezeichnet - und genießt plötzlich das Wohlwollen der gewendeten politisch-militärischen Führung. Dies auch, weil er die frühere Führung anprangert: "Man hat seit zehn Jahren die Hausaufgaben nicht gemacht. Man muss doch fragen: Planen wir nicht stets mindestens zwei Nummern zu groß?"

Das militärische Establishment wolle einem Freiwilligenheer deshalb nicht nahetreten, weil dieses all die traditionellen Einrichtungen erschüttern würde - von der Heeresunteroffiziersakademie über die Militärakademie bis zur Landesverteidigungsakademie. Starlinger meint, dass man Offiziere in einem Jahr für ihre Aufgabe auf Kompanieebene ausbilden kann, schließlich müsse nicht jeder Leutnant alle Waffengattungen beherrschen, sondern nur seine Funktion, diese aber perfekt. Danach sollte man die Soldaten intensiv in ihrer Aufgabe nutzen, am Ende ihrer Verpflichtungsdauer sollten sie in einen Zivilberuf wechseln müssen. Die Verpflichtungsdauer für Offiziere würde er auf 12 Jahre beschränken, jene von Unteroffizieren auf neun, die von "Gewehrträgern" (also Chargen) auf vier - wobei jeweils ein Drittel der Dienstzeit für berufliche Bildung reserviert wäre, damit der Umstieg ins Zivilleben leichtfällt.

Ganz neu ist die Idee solcher "Zeitsoldaten" nicht, sie wurde unter Minister Otto Rösch (1977-83, SPÖ) entwickelt und unter Friedhelm Frischenschlager (1983-86, FPÖ) umgesetzt. In der Praxis ist sie daran gescheitert, dass die Zeitsoldaten in Lebensstellungen gedrängt haben. Inzwischen stellen diese ursprünglich für wenige Jahre angeheuerten Männer ein Gutteil des Beamtenheeres im Bundesheer.

7000 Beamte weniger

Dieses Beamtentum müsse weg, befindet Brigadier Starlinger, "das ist auch im Sinne des Steuerzahlers, wenn es im Bereich der Landesverteidigung 7000 bis 8000 Beamte weniger gibt. Das Bundesheer ist das System der Zeitsoldaten nur nie richtig angegangen, in der deutschen Bundeswehr funktioniert es aber seit Jahren: Da sind 80 Prozent der Offiziere und Unteroffiziere nie woanders als bei ihrer angestammten Einheit."

Grundwehrdiener brauche man hingegen gar nicht, sie hätten ja schon jetzt keine militärische Bedeutung mehr. (cs, DER STANDARD, Printausgabe, 10.3.2011)